Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Seismizität bzw. Erdbebentätigkeit in Deutschland

Für Menschen deutlich fühlbare oder gar schadenverursachende Erdbeben gehören in Deutschland zu den seltenen Naturphänomenen. Die überwiegende Mehrzahl der Erdbeben­herde Deutschlands konzentriert sich auf drei Schwächezonen in der Erdkruste:  

  1. das Rheingebiet,

  2. die Schwäbische Alb sowie

  3. Ostthüringen und Westsachsen mit dem Vogtländischen Schwarmbebengebiet.

Eine Auswahl der stärksten Beben Deutschlands in den letzten 250 Jahren gibt die Tabelle 1, wobei in historischer Zeit die Intensität VIII bisher nicht überschritten wurde.

Tabelle 1. Ausgewählte deutsche Schadenbeben seit 1750
amim Raummax. Intensität I0Magnitude
ML
Tote, beschädigte Gebäude (bG) und Schadenshöhe
18.02.1756Düren
(östl. Aachen)
VIII6,1Tote
24.06.1877Herzogenrath
(nördl. Aachen)
VIII5,3 
26.08.1878Tollhausen
(westl. Köln)
VIII5,9Tote
16.11.1911Albstadt
(südl. Tübingen)
VIII6,16250 (bG);
0,75 Mio. RM
27.06.1935Saulgau
(nordöstl. Konstanz)
VII-VIII5,8 
28.05.1943AlbstadtVIII5,6 
14.03.1951Euskirchen
(westl. Bonn)
VII-VIII5,7 
03.09.1978AlbstadtVII-VIII5,76850 (bG);
275 Mio. DM
13.04.1992Heinsberg/ Roermond (NL)VII5,91 Toter; 7200 (bG);
250 Mio. DM


Mit einer mittleren Wiederholungsperiode von 10 Jahren werden in Deutschland Beben der Magnitude ML = 5.1 (Mw = 4,8) beobachtet. Mit mittleren Wiederholungsperioden von 50 Jahren ereignen sich Beben mit ML = 5.8 (Mw = 5.5). Beben im Bereich der historisch größten Magnituden (ML = 6.,1, Mw = 5.8) besitzen eine mittlere Wiederholungsperiode von ca. 100 Jahren.

Neben den Erdbeben mit ihrem Herd in Deutschland werden weitreichende Erschütterungswirkungen von Beben außerhalb des Landes beobachtet. So erschütterte beispielsweise das Roermond-Erdbeben (mit dem Herd im Grenzgebiet von Deutschland und den Niederlanden) am 13. April 1992 (ML = 5.9; I0 = VII) Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und benachbarte Bundesländer. Dank der relativen großen Herdtiefe dieses Bebens von 18-20 km blieben die Schäden recht moderat. Das Friaul-Erdbeben (Italien) am 6. Mai 1976 (ML = 6.4; I0 = IX-X) wurde in weiten Teilen von Bayern, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalts gespürt und strahlte bis nach Berlin.

Unmittelbar jenseits der heutigen Grenzen haben sich in historischer Zeit katastrophale Beben ereignet: so z. B. das Basel-Erdbeben am 18. Oktober 1356 (ML = 6.6; I0 = IX), zu dem von zahlreichen eingestürzten Häusern und 300 Toten berichtet wird. Auch zum Verviers-Beben am 18. September 1692 im östlichen Teil Belgiens weisen neuere Untersuchungen auf eine relative große Magnitude von ca. 6.5.

Abbildung 1. Epizentren der katalogisierten Erdbeben seit ca. 1000 AD bis 2001 (nach Grünthal, 2003), Datengrundlage (aus Grünthal und Wahlström, 2003a, b).

Die Epizentrenkarte der bisher beobachteten Bebentätigkeit Deutschlands (vgl. Abbildung 1: Karte der Epizentren der katalogisierten Erdbeben) verdeutlicht, dass die Bebenherde flächenmäßig nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern sich in wenigen Zonen einer erhöhten Bebenaktivität konzentrieren. Die höchste Bebenaktivität weist die Seismizitätszone des Rheingebietes auf, die sich im Norden bis in den Raum Köln erstreckt und sich von dort weiter westlich bis in das niederländische Limburg und nach Belgien fortsetzt. Einen Seismizitätsschwerpunkt im Niederrheingebiet stellt der Raum Aachen-Düren dar. Im Mittelrheingebiet zeigt das Gebiet um Koblenz die höchste Bebenaktivität. Das nördliche Oberrheingebiet vom Raum Karlsruhe bis Mainz weist im nördlichsten und südlichsten Teil, d. h. im Gebiet Rheinstetten-Rastatt weitere Seismizitätsschwerpunkte auf. Der südliche Teil des Oberrheingrabens zeigt erhöhte Bebenaktivität im Raum Strasbourg sowie in seinem südlichen Teil.

Die Bebenzone der Schwäbischen Alb mit dem Schwerpunkt Albstadt wurde in historisch überlieferter Zeit mit einem der größten Beben Deutschlands am 16. November 1911 mit einer Epizentralintensität von VIII und einer Magnitude von ML = 6,1 aktiviert. Mit den weiteren Schadenbeben in den Jahren 1943 und 1978 (vgl. Abbildung 2; mit Schäden der Intensität VII-VIII) setzte diese lokale eng begrenzte Seismizitätszone den weitaus größten Teil der Bebenenergie des 20. Jahrhunderts in Deutschland frei.

Abbildung 2. Schäden vom Albstadt-Beben am 03.09. 1978 in Tailfingen (Baden-Württemberg).
(Quelle: Landesstelle für Bautechnik Baden-Württemberg)

Eine nördliche Fortsetzung dieser Seismizitätszone ist bis Tübingen zu beobachten. Mit den weiteren Herdgebieten im Saulgau, im Südwesten von Donaueschingen und im Schwarzwald ist Baden-Württemberg das bebenaktivste Bundesland.

Ein weiteres Bebengebiet erstreckt sich über Ostthüringen und den westlichen Teilen Sachsens vom Schwarmbebengebiet des Vogtlandes über den Raum Gera bis nach Leipzig. Das in historischer Zeit stärkste Beben dieses Raumes ereignete sich am 3. März 1872 östlich von Gera mit einer Intensität von VII. Die Vogtländischen Bebenschwärme, bei denen z. B. in den Jahren 1903, 1908 und im Winter 1985/1986 bis zu ca. 10 000 Beben instrumentell registriert wurden, erreichten mit den stärksten Stößen Magnituden von ML = 4,7 und Intensitäten von VI-VII.

Als Bebengebiet von untergeordneter Bedeutung wäre schließlich die Seismizitätszone des Raumes Nördlingen-Donauwörth zu erwähnen mit Beben der Intensität VII in den Jahren 1769 und 1915. Die übrigen Gebiete Deutschlands sind nicht völlig bebenfrei, weisen aber eine nur sehr geringe Bebentätigkeit wie z. B. das leichte Schäden verursachende Bielefelder Beben von 1612 (vgl. Abbildung des Kupferstiches Bielefeld-Beben 1612) auf.

Abbildung 3. Das Beben 1612 von Bielefeld. Mauerrisse am Kloster und herabfallendes Geschirr nach einem zeitge­nössischen Kupferstich.

Die Erdbeben ereignen sich in Deutschland hauptsächlich im Tiefenbereich von 5 bis 20 km mit dem Schwerpunkt der seismischen Energiefreisetzung in ca. 10 km.

Zur Erfassung der Bebentätigkeit ist derzeit ein ca. 100 Registrierorte umfassendes Seismometernetz in Betrieb. Die ersten Seismographen wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Aus der vorinstrumentellen Zeit existieren z. T. außerordentlich detaillierte Berichte über Bebenwahrnehmungen oder beobachtete Schäden in zumeist städtischen Chroniken. Diese historischen Quellen erlauben die Erweiterung des Bebenkatalogs bis zu den Anfängen historischer Aufzeichnungen. Anhand paläoseismo­logischer Untersuchungen im Niederrheingebiet wurde eine Anzahl relativ starker Beben bis zu Magnituden von 6.8 nachgewiesen, die sich dort vor dem 10. Jahrhundert ereigneten.

Es ist klar, dass die Katalogeinträge um so unvollständiger werden und nur die stärksten Beben erfassen, je weiter man in die Historie zurückblickt. Anschaulich illustriert die Abbildung 4, in der exemplarisch für das Rheingebiet für einzelne Intensitätsklassen (von III bis IX) deren Nennung im Katalog ab 1000 AD dargestellt ist, die Vollständigkeit der katalogisierten Daten.

Abbildung 4. Kumulative Bebenzahlen pro Intensitätsklasse I0 im Rheingebiet, wobei die Kreuze an jeder Summenkurve die abgeschätzten Vollständigkeitszeiten angeben (aus Grünthal u. a., 1998).

Deutlich wird anhand dieser Graphik für die Einträge z. B. der Intensität VIII ein weitgehend gleichförmiger Anstieg seit etwa 1500 AD. Für Beben der Intensität VII ist ein hinreichend gleichförmiger Anstieg der Kurve ab etwa 1700 zu beobachten (markiert mit x in der Abbildung 5), für die Intensität VI ab ca. 1775, für die Intensität V ab ca. 1825 usw.


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