Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Krustales Spannungsfeld

Das krustale Spannungsfeld in Europa als Ursache von Beben

Der unmittelbare Auslöser für ein Beben und der Ausbreitung seismischer Wellenenergie ist die plötzliche Bewegung tektonischer Blöcke an geologischen Störungen. Ursache der tektonischen Kräfte, die zu großräumigen Verformungen führen, sind Spannungen in den spröde reagierenden Teilen der Erdkruste und des Erdmantels. An den geologischen Störungen, d. h. Trennfugen oder Bewegungsfugen kann es als Ausgleichsreaktion auf die Spannungen zu aseismischen Kriechbewegungen oder aber zu Beben kommen. Eine Störung erster Ordnung stellen die Plattengrenzen dar. Hier wird ein weitaus größerer Teil der Verformungsenergie von Beben abgebaut als im Inneren der Kontinente.

Der westliche Teil der Eurasischen Platte ist unter Hervorhebung der Plattengrenzen in Abbildung 1 dargestellt. Die Bebentätigkeit konzentriert sich an den Plattengrenzen. Die Abbildung 1 zeigt an der Südgrenze der Eurasischen Platte deren nördliche Ausbuchtung, den Apulischen Sporn (AP), der bei seiner Nordwärtsbewegung vor sich die Alpen aufgeschoben hat. Dieser Nordwärtsdrift Afrikas wird ein beträchtlicher Widerstand entgegengesetzt. Die ebenso nach Norden gerichtete Bewegung der Arabischen Platte ist einem wesentlich geringerem Widerstand ausgesetzt, so dass sich diese Platte schneller nach Norden bewegt als Afrika. Die beiden schematisch im Bereich von Anatolien angedeuteten Mikroplatten (MP) werden von der Arabischen Platte zu einer Westwärtsdrift veranlasst, welche sich u. a. in markanten mit starken Beben verbundenen Bewegungen an der Nordanatolischen Verwerfung (NAF) manifestieren. Im Bereich der Ägäis und südöstlich des Tyrrhenischen Meeres wird ozeanische afrikanische Kruste bei der nordwärts gerichteten Bewegung subduziert. Der weitaus größte Teil der Seismizität Europas konzentriert sich an diese Plattengrenze Eurasiens mit Afrika.

Die der Nordwärtsbewegung Afrikas entgegenwirkenden Kräfte gehen vom Mittelatlantischen Rücken aus, an dem durch Strömungsprozesse im Erdmantel der Mittelatlantische Rücken aufgeweitet wird und flüssiges Magma Platz greift, erstarrt und zu einer Verbreiterung des Atlantiks führt. Diese Prozesse sind mit einer Bebenaktivität verbunden, die den Mittelatlantischen Rücken mit seinen Konturen in Epizentrenkarten sehr deutlich abbilden. 

Die auf die globale Plattentektonik zurückgehenden Kräfte verursachen das in Abbildung 2 dargestellte Spannungsfeld Mitteleuropas im weiteren Sinne. Die Linien repräsentieren die Trajektorien maximaler horizontaler Kompressionen in der Erdkruste. Dieses Abbild des Spannungsfeldes ergibt sich sowohl anhand einer Vielzahl von Spannungsmessungen und weiterer Messbefunde als auch anhand von numerischen Modellierungen, mit denen sich die Messdaten überraschend gut reproduzieren lassen. Im Pannonischen Becken wirken hierbei zusätzlich extensive Kräfte, die die nahezu radiale Spannungsstruktur um das Becken bewirken.

Dieses Spannungsmuster kann an Bruchstörungen, die in bestimmten Winkeln zu den Spannungstrajektorien angeordnet sind, zu bebengenerierenden Prozessen führen. Das Muster von Bruchstörungen in Verbindung mit der Kenntnis zum Spannungsfeld ist der Schlüssel zum Verständnis der räumlichen Verteilung der Seismizität, denn nicht jede Störung, die zumeist in der geologischen Vergangenheit angelegt wurden, ist dafür prädestiniert, im Zusammenwirken mit dem aktuellen Spannungsfeld der Erdkruste Beben zu generieren.


zurück nach oben zum Hauptinhalt