Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Satelliten-Empfangsstation Ny-Ålesund

Das GFZ betreibt eine Satelliten-Empfangsstation in Ny-Ålesund, Spitzbergen (78° 55´ Nord, 11° 56´ Ost), um Daten von Forschungssatelliten in polaren Umlaufbahnen zu empfangen. Die Station befindet sich etwa einen Kilometer außerhalb der Ortschaft, zwischen der Startbahn des örtlichen Flugplatzes und dem Kongsfjord. Ny-Ålesund ist der nördlichste Ort (ca. 1200 km bis zum Nordpol), der mit regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (Flugzeug und Schiff) erreicht werden kann. Die zwischen 30 und 180 Einwohner (permanent stationiertes Personal und besuchende Wissenschaftler) werden durch die norwegische Kings Bay Company versorgt, die auch die Infrastruktur des Ortes betreibt (Hafen, Wegenetz, Energie etc.).

Referenz

GFZ-Pressemeldung (2023): GFZ-Satelliten-Empfangsstation auf Spitzbergen empfängt Satellit TUBIN im X-Band

Falck, C., Reißland, S., Snopek, K., Massmann, F.-H. (2020): Satellite data reception at Ny-Ålesund, Spitsbergen: From CHAMP to GRACE Follow-On. - ZfV: Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, 145, 2, 111-117. https://geodaesie.info/zfv/heftbeitrag/8568/zfv_2020_2_Falck_et-al.pdf

GFZ-Pressemeldung (2018): "Die GRACE-FO-Satelliten haben immer Vorfahrt"

Viele wissenschaftliche Satelliten zur Beobachtung der Erde und des erdnahen Raumes fliegen in niedrigen, polaren Umlaufbahnen mit kurzen Umlaufzeiten (z.B. 95 Minuten). Die niedrigen Umlaufbahnen sind günstig für viele Arten von Beobachtungen, denn so sind die Satelliten verhältnismäßig nahe an der zu beobachtenden Umgebung. Die polaren Umlaufbahnen ermöglichen Beobachtungen über allen Erdregionen, inklusive der Polarregionen.

Satelliten müssen im Sichtbarkeitsbereich von Bodenstationen sein, um ihre Daten zur Erde senden zu können. Die Graphik unten zeigt den Sichtbarkeitsbereich von Potsdam (roter Kreis) und den der Station Ny-Ålesund (NYA, grüner Kreis). Die Bodenspuren der Umlaufbahnen beider GRACE Follow On Satelliten über 24 Stunden (blaue Linien) kreuzen den Sichtbarkeitsbereich des Standorts Potsdam nur etwa 4-mal pro Tag (aufgrund der Erdrotation). Das Alter der in Potsdam (und anderen Standorten in diesen geographischen Breiten) von den GRACE Follow On Satelliten empfangenen Daten kann deshalb im Durchschnitt nicht unter etwa 6 Stunden liegen. Die NYA Station kann im selben Zeitraum (24 Stunden) mindestens 15 Kontakte zu jedem dieser Satelliten herstellen, trotz der Erdrotation, woraus ein maximales Alter der Daten von 1,5 Stunden resultiert.

Die Fähigkeit, Daten von Satelliten in polaren Umlaufbahnen derartig schnell bereitstellen zu können, ist der große Vorteil einer polaren Bodenstation. In der Praxis ist dies sogar eine zwingend notwendige Voraussetzung, um die Daten solcher Satelliten in zeitkritischen Anwendungen nutzen zu können.

Der regelmäßige, zeitnahe Datenempfang an der NYA Station ist eine wichtige Voraussetzung für viele zeitkritische Anwendungen. Ein Beispiel ist die satellitengestützte GNSS-Atmosphärensondierung, ein innovatives Verfahren zur Bestimmung von Temperatur- und Wasserdampfprofilen, welches u.a. zur Verbesserung von Wettervorhersagen beiträgt. Dabei erfolgen die Messungen auf Satelliten mit speziellen GNSS-Empfängern, wie den vom GFZ auf den Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X betriebenen TOR Nutzlasten. Die an die Wetterzentren gelieferten Produkte dürfen nicht älter als 3 Stunden sein, was insbesondere durch den zeitnahen Satellitenempfang in Ny-Ålesund erreicht wird.

Ein anderes Beispiel ist die operationelle Bereitstellung von genauen Bahnvorhersagen für den ILRS (International Laser Ranging Service), auf Basis der von den Satelliten aufgezeichneten GNSS-Daten. Den weltweit verteilten Laserstationen (z.B. SLR-Station Potsdam) wird so eine genauere Ausrichtung der Laserinstrumente auf die Satelliten ermöglicht, wodurch eine hohe Abdeckung der Satellitenbahnen mit präzisen Lasermessungen erreicht werden kann.

Neben dem wissenschaftlichen Nutzen, ermöglichen die häufigen und regelmäßigen Kontakte zu den Satelliten auch eine quasi kontinuierliche technische Überwachung der Satelliten. So können technische Probleme auf Satelliten frühzeitig erkannt und kritische Situationen verhindert werden. Dies kann helfen, Ausfallzeiten zu reduzieren und eine lange Lebensdauer der überwachten Satelliten zu unterstützen.

Die Betriebskosten der NYA Station sind vergleichsweise niedrig, was sich insbesondere aus dem weitgehend automatisierten, unbemannten Betrieb ergibt. Dies ermöglicht es dem GFZ auch Satellitenmissionen zu unterstützen, die über keine Mittel für teure Kontakte mit anderen Bodenstationen verfügen. Beispiele sind der seit 2017 empfangene Satellit Flying Laptop(gebaut von wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden an der Universität Stuttgart) und der seit 2022 empfangene Satellit TUBIN (gebaut von wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden an der Technischen Universität Berlin).

Die aktuell wichtigste Aufgabe der NYA Station ist der Empfang der beiden GRACE Follow On Satelliten (im Orbit seit 2018). Das GFZ ist für den vollständigen Empfang der Satellitendaten verantwortlich, wofür die NYA Station als primäre Empfangsstation der Mission eingesetzt wird. Auch für die Nachfolgemission GRACE-C (Start voraussichtlich im Dezember 2028) ist die NYA Station wieder als primäre Empfangsstation vorgesehen.

Die erste Antenne der Anlage ist seit 2001 in Betrieb und diente anfangs ausschließlich zum Empfang des Satelliten CHAMP im S-Band. Schon ab 2002 wurde die Station vom GFZ kontinuierlich ausgebaut und modernisiert, u.a. mit leistungsfähigen Empfängern in 2004, 2006, 2007 und 2017. Bereits 2005 mußte der Betriebsraum (Empfangshütte) für die Aufnahme neuer Gerätetechnik erweitert werden und es wurde eine zweite Antenne installiert. Seitdem können zwei Satelliten zur gleichen Zeit oder ein Satellit mit beiden Antennen parallel (redundant) empfangen werden. In 2022 wurde eine der Antennen mit einem am GFZ entwickelten Frequenzkonverter für einen gleichzeitigen Empfang der Satelliten im S- und X-Band aufgerüstet, die entsprechende Aufrüstung der zweiten Antenne soll in 2024 erfolgen. Seit 2015 ist Ny-Ålesund über Glasfaserkabel mit dem Festland verbunden.

Um Ausfallzeiten an der Station vorzubeugen, wurden für den Betriebsraum und die Antennen Reservekabel in zusätzlichen Kabelschächten verlegt (2017), unterbrechungsfreie Stromversorgungen für alle Komponenten der Station installiert, und wichtige Komponenten mit langer Betriebszeit ersetzt, wie z.B. Antriebsmotoren und deren Steuerelektronik (Eigenentwicklung des GFZ). Die Station wird ganzjährig unbemannt betrieben, aber mit Hilfe spezieller technischer Einrichtungen und Kameras vom GFZ kontinuierlich überwacht und ferngesteuert. Die deutsch-französische AWIPEV-Forschungsstation in Ny-Ålesund und die Kings Bay Company helfen bei allen Problemen, die nicht durch Fernsteuerung lösbar sind. Ausbau- Wartungs- und Reparaturarbeiten werden i.d.R. einmal jährlich vom GFZ durchgeführt.

Das GFZ ist Mitglied im Ny-Ålesund Science Managers Committee (NySMAC), welches sich mit der Koordinierung der Forschungsaktivitäten in Ny-Ålesund und dem Schutz der lokalen Umwelt beschäftigt, und engagiert sich insbesondere für den Erhalt der Funkstille vor Ort (2 - 32 GHz). Diese verbietet in einem Radius von 20 Km um Ny-Ålesund sogar WLAN/Wifi und Bluetooth Anwendungen, was einen störungsfreien Empfang der Satelliten begünstigt. Vor den aktuell an der Station empfangenen Satelliten GRACE-FO-A, GRACE-FO-B, TerraSAR-X, TanDEM-X, Flying Laptop und TUBIN wurden die Satelliten CHAMP, BIRD, GRACE-A, GRACE-B und SAC-C empfangen.

Die beiden Antennen der Station (Parabolspiegel mit 4m Durchmesser) werden durch beheizbare Radome gegen das raue Klima auf Spitzbergen geschützt.  Sie ermöglichen den Empfang von Satelliten im S-Band (etwa 2.2 – 2.45 GHz) und im X-Band (etwa 7.9 – 8.4 GHz). In einer kleinen Hütte zwischen den Radomen befindet sich die Empfangs- und Steuerelektronik. Fast alle Geräte in der Empfangshütte sind mindestens zweimal vorhanden und gleichzeitig in Betrieb. Der Ausfall eines Gerätes führt damit nicht zwangsläufig zu einer Unterbrechung des Empfangs. Die Empfänger und Antennen, sowie diverse Steuer- und Kontrollgeräte, werden mit am GFZ entwickelter Software betrieben und fernüberwacht.

Alle Satellitenkontakte der Station werden durch das GFZ geplant (Sektion 1.2, Entwicklung, Betrieb und Auswertung von Schwerefeldsatellitenmissionen), in Zusammenarbeit mit den für die Satelliten verantwortlichen Agenturen und Projektpartnern. Die an der Station empfangenen Daten werden automatisch an das GFZ übertragen, wo sie verarbeitet und an weitere Nutzer verteilt werden.

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