Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Geothermie – Regenerative Wärme aus der Erde

Der Wärmesektor macht mehr als die Hälfte des deutschen End-Energiebedarfs aus. Der allergrößte Anteil der benötigten Wärme – derzeit sind es mehr als 80 Prozent – stammt aus nicht-erneuerbaren Energiequellen wie Kohle, Gas oder Mineralölen.

Erd- und Umweltwärme machen gerade einmal 1,9 Prozent des Wärmegewinnungsmix in Deutschland aus (Umweltbundesamt, Feb. 2023). Dabei könnte Erdwärme eine viel größere Rolle spielen, denn das Potenzial ist immens: über 300 Terrawattstunden pro Jahr − circa ein Viertel des Wärmebedarfs − können über tiefe geothermische Energiesysteme zuzüglich Hochtemperatur-Speicherung und Grubenwasser-Nutzung abgedeckt werden.

Hinzu kommen die Systeme der oberflächennahen Geothermie zum Heizen und Kühlen im Neubaubereich, sodass ein Ausbauziel von etwa 500 Terrawattstunden pro Jahr aus Geothermie realistisch erscheint. Werden langfristig die Potenziale petrothermaler Systeme hinzugezählt, liegt der Beitrag noch einmal deutlich darüber.

Die seit Jahren etablierte Nutzung von Erdwärme hat viele Vorteile, denn Geothermie ist:

  • erneuerbar, also regenerativ
  • CO2-arm
  • grundlastfähig = permanent verfügbar, unabhängig von Tages- oder Jahreszeiten bzw. der Witterung
  • heimisch
  • anwendungsreif
  • platzsparend = geeignet für Städte

In Deutschland liegt der Schwerpunkt auf Wärme- und Kälteversorgung. Zunehmend wird auch die saisonale Speicherung von überschüssiger Wärme im Untergrund als ein weiteres Aufgabengebiet der Geothermie vorangetrieben. Bei hohen Untergrundtemperaturen kann auch Strom aus Erdwärme gewonnen werden.

Die kurzfristig erschließbaren Potenziale liegen im Ausbau der hydrothermalen Geothermie. Weitaus größere Potenziale liegen im kristallinen Untergrund.

Erdwärme kann in verschiedenen Tiefen gewonnen werden. Der Schwerpunkt des GFZ liegt auf der Erforschung mitteltiefer und tiefer geothermischer Systeme (ab 400 Meter Tiefe). 


Eckpunktepapier für eine Erdwärmekampagne des BMWK

Geothermie für die Wärmewende

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat im November 2022 Ziele für Wärmewende in einem Eckpunktepapier formuliert. Darin enthalten sind die strategischen Ausbaupläne für geothermische Projekte. Es gibt einen engen fachlichen Austausch, an dem das GFZ beteiligt ist. Darüber hinaus zeigen die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, dass der Ausbau schnell vorangehen soll. Denn deklariertes Ziel ist es, schon bis 2030 die Hälfte unserer Wärme klimaneutral zu erzeugen; bis 2045 soll die Wärmeversorgung komplett klimaneutral sein.


Wie heiß ist es im Untergrund in Deutschland?

Gebiete in Deutschland mit großem Potential für Geothermie

Zu den Gunsträumen für Geothermie in Deutschland zählen:
 

  • Süddeutsches Molassebecken

Die Region im Alpenvorland, die den Verwitterungsschutt des aufsteigenden Gebirges aufgenommen hat, wird als »Molassebecken « bezeichnet. Das Süddeutsche Molassebecken erstreckt sich von der Schweiz über Baden-Württemberg bis nach Bayern und Österreich.
Wie warm? Temperaturen zwischen 100 und 155 °C bei entsprechend hoher Durchlässigkeit sind etwa südlich von München und im Bereich des Chiemsees möglich (Tiefe: ca. 4.000 m).
Geeignet sind: insbesondere die jurassischen Karbonate, da sie teils aufgelöst und dadurch durchlässig sind.
 

  • Oberrheingraben

Der Oberrheingraben erstreckt sich entlang des Rheins zwischen dem schweizerischen Jura im Süden und dem Taunus im Norden.
Wie warm? In vergleichbaren Tiefen weist der Oberrheingraben deutschlandweit die höchsten bisher gemessenen Untergrundtemperaturen auf, so z.B. über 170 °C in 3000 m Tiefe im Raum Karlsruhe/Mannheim.
Geeignet sind: Sedimentgesteine und Übergangshorizonte in das Grundgebirge mit 130 bis 180 °C heißem Thermalwasser. Im Oberrheingraben weisen auch geklüftete Bereiche des Grundgebirges teilweise hervorragende Reservoir-Eigenschaften auf.
 

  • Norddeutsches Becken

Das Norddeutsche Becken erstreckt sich von Süd-Niedersachsen bis unter die Nord- und Ostsee. Aus geothermischer Sicht ist besonders vorteilhaft, dass diese Struktur mindestens sechs verschiedene Schichten mit hydrothermalen Vorkommen birgt, z.B. werden in Potsdam in 1200 m Tiefe bereits 45 Grad bei hoher Produktivität erreicht, und in großen Tiefen (4.000-5000 m) Temperaturen von 130-160 Grad. Durch die starken Bewegungen der Salzformationen im Norddeutschen Becken, die in geologischer Zeit stattgefunden hatten, ist das Norddeutsche Becken tektonisch stark geklüftet und somit in vielen Bereichen hoch durchlässig, und damit sehr interessant für die geothermische Erschließung.
Wie warm? In 4.000 bis 5.000m herrschen Temperaturen von 130 bis 160 °C.
Geeignet sind: Konglomerate und Sandsteine bis in 5000 m Tiefe.
 

  • Grundgebirge = 95% des geothermischen Energiepotentials

Grundgebirge ist die Bezeichnung für die geologisch alten, tektonisch deformierten (gefalteten) Krustenbereiche eines Kontinents. Es steht im Fokus der petrothermalen Geothermie, die in einigen Bereichen noch Grundlagenforschung erfordert. Das GFZ ist hieran beteiligt, z.B. mit der Forschungsinfrastruktur GeoLAB und dem Vorhaben GeoReal. So leistet das GFZ einen Beitrag zur Erschließung dieser enormen Ressource mit mittelfristiger Perspektive.
Wie warm? In 5000 Metern Tiefe sind Temperaturen von 130 °C bis 220°C anzutreffen.
Geeignet sind: Ältere, zum Grundgebirge zählende kristalline Gesteine wie beispielsweise Granit, Gneis oder Marmor. In Deutschland befindet sich in den größten Landesteilen kristallines Gestein in tieferen Untergrunddeutschen Mittelgebirgen, von den Sudeten bis zum Schwarzwald und der Eifel.

So geeignet ist Berlin!

Bis zu 85 Grad Celsius in zwei Kilometern Tiefe

Grundsätzlich ist das natürliche Potenzial für Geothermie in Berlin riesig; der Wärmebedarf in der Hauptstadt mit fast 4 Millionen Einwohnern jedoch auch. Ausbauziel ist es vorerst, 15 – 20 % des Bedarfs in Berlin durch Geothermie zu decken. Das Norddeutsche Becken mit Berlin und Brandenburg ist ein natürlicher Gunstraum und gut geeignet für Geothermie.

Wie können wir diese Erdwärme nutzen?

Bereitstellung von Wärme, Kälte oder Strom mit geothermischen Systemen

Es gibt offene und geschlossene Systeme, die oberflächennah, mitteltief und tief zum Einsatz kommen. Je tiefer, desto höher die nutzbaren Temperaturen. Je nach Tiefe und Dimension der Projekte werden Einzelgebäude, Quartiere oder ganze Stadtviertel mit Wärme versorgt. Sowohl hydrothermale wie auch oberflächennahe Technologien sind flächendeckend marktverfügbar. Zu den geothermischen Nutzungstechnologien gehören Erdwärmesonden und Kollektoren sowie hydro- und petrothermale Systeme.

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

Empfehlungen der Wissenschaft an die Politik

Gemeinsam erarbeitet von der Fraunhofer Gesellschaft, dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, dem Karlsruher Institut für Technologie sowie dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ. Nachzulesen im "Roadmap Tiefe Geothermie für Deutschland"

Zum Ausbau der Geothermie gibt das Strategiepapier fünf Empfehlungen:

  • Ausbauziele für Tiefe Geothermie definieren

Die Politik muss klare Ausbauziele formulieren und der Gesetzgeber muss diese regulativ untersetzen. Beschleunigte Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung gehören ebenso dazu wie die Überprüfung einer Anpassung von Gesetzen (etwa BBergG, WHG, BauGB, UVPG, GEG) sowie die Ausweisung von Vorzugsflächen in den Raumordnungsplänen der Länder und in den kommunalen Flächennutzungsplänen. Zugleich müssen durch die Politik CO2-Vermeidungskosten zum Leitwerkzeug der Regulation erhoben und das Entgelt- und Umlagesystem für kommunale und industrielle Erzeuger und Betreiber nivelliert und vereinfacht werden.

  • Fündigkeitsrisiko mindern

Kurzfristig benötigt werden wirksame Instrumente zur Fündigkeitsrisikominderung: Wirtschaftlich sind dies finanztechnische Werkzeuge und eine spürbare Erhöhung des jährlichen Fördervolumens der »Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)« auf deutlich über 1 Mrd. Euro. Technisch gehören
dazu geophysikalische Untersuchungen in Ballungsräumen im Rahmen der geologischen Landesaufnahmen und ein Explorationsbohrprogramm, um das Fündigkeitsrisiko zu senken, sowie Demonstrations- und Pilotanlagen mit enger wissenschaftlicher Begleitung.

  • in Schlüsseltechnologien investieren

Investitionen in 10-Jahres-Schlüsseltechnologien für den Ausbau auf einen großindustriellen Maßstab durch die Industrie und flankierende staatliche Förderprogramme; z.B. in Bohr- und Reservoirtechnologien (inkl. Engineered Geothermal Systems), Bohrlochpumpen, Hochtemperatur-Wärmepumpen, Entwicklung von Großwärmespeichern, der Ausbau von transkommunalen Wärmenetzen und die sektorübergreifende Systemintegration. Dabei muss eine umfassende Digitalisierung zur Grundlage der Analyse, Planung, Integration, Steuerung und Kontrolle komplexer Energiesysteme werden.

  • Fachkräfte ausbilden

Aktivierung des hohen Wertschöpfungs- und Arbeitsmarktpotenzials von 5 bis 10 Personen je MW installierter Leistung entlang der Wertschöpfungskette von Forschung und Entwicklung, Komponentenproduktion, Verwaltung, Anlagenbau und -betrieb durch innovations- und wirtschaftsfördernde Maßnahmen.

Flankierende bildungspolitische Maßnahmen (Curricula, Weiterbildungen, überbetriebliche Ausbildungszentren, Anwerberprogramme) werden zur Beseitigung von mangelnden personellen Kapazitäten benötigt.

  • Interaktion mit Bürger:innen

Eine breite Öffentlichkeitsarbeit muss initiiert und politisch proaktiv begleitet werden. Die Förderung einer positiven Antizipation und Akzeptanz in der Gesellschaft erfordert insbesondere auf kommunaler Ebene eine zielgerichtete Strategie zur Interaktion mit Bürger*innen und Stakeholder*innen, die partizipative Möglichkeiten schafft.


Was tun wir am GFZ?

Am GFZ forscht die in Europa größte Gruppe von Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen zur Geothermie. Mit breiter Expertise werden alle Disziplinen in der Technologiefamilie der Geothermie abgedeckt - von der Erkundung des Reservoirs, seiner bohrtechnischen Erschließung und ingenieurtechnischen Behandlung bis zur Wandlung und Verteilung der Energie. Es laufen derzeit mehr als 30 mit Bundes- und EU-Forschungsgeldern geförderte Forschungsprojekte in Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern. Eine Mehrzahl dieser Vorhaben werden in Zusammenarbeit mit der Energieversorgungswirtschaft umgesetzt.

Ein Großteil der Geothermieforschung am GFZ ist in der Sektion 4.8 Geoenergie organisiert. Darüber hinaus leisten weitere Sektionen grundlegendes Prozessverständnis, welches im Anwendungsfeld Geothermie benötigt wird.

Das GFZ befasst sich dabei mit wissenschaftlichen Grundlagen und angewandter Forschung zur ganzheitlichen Betrachtung geothermischer Systeme und der sicheren untertägigen Speicherung von Wärme. Wir untersuchen Eigenschaften und Prozesse in natürlichen und technischen Systemen, um zu einer nachhaltigen, sicheren und verlässlichen Nutzung des Untergrunds beizutragen. Das schließt die Beurteilung von Wechselwirkungen zwischen Untergrund, Technologie, Umwelt, Energiesystem und Gesellschaft ein.

Wir betreiben Demonstrations- und Forschungsplattformen

Zur Verbreitung und Skalierung der umfangreichen Experimente in Labor und Technikum betreibt das GFZ eigene und kooperative, industrietaugliche Demonstrations- und Forschungsplattformen in der mitteltiefen und tiefen Geothermie.

Zu unseren Forschungsfeldern gehören:

  • Hydrothermale geothermale Energie
  • Städtische Wärme- und Kälteversorgung
  • Aquiferspeicherung (ATES), konvektiv
  • Konduktive Wärmespeicherung (BTES)
  • Petrothermale Geothermie
  • Superkritische Geothermie
  • Geologische Speicherung (CCS)
  • Integrität von Bohrlöchern
  • Bohrmethoden und Ausbau von Bohrungen

Weiterführende Informationen

erarbeitet vom Bundesverband für Geothermie e.V.

Linktipps

Quellen:

  • Roadmap Tiefe Geothermie für Deutschland. Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für eine erfolgreiche Wärmewende (erarbeitet von: Fraunhofer, GFZ, KIT und UFZ)
  • Umweltbundesamt (2023): Erneuerbare Energien in Deutschland. Daten zur Entwicklung im Jahr 2022.
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