Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Hoher EU-Forschungspreis für Sergey Lobanov

Das ERC Consolidator Grant-Projekt „Glass2Melt“ wird Gläser und Schmelzen unter hohen Drücken und Temperaturen untersuchen – um ein Modell für die uralten Magmaozeane der Erde zu erstellen.

Sergey Lobanov, Leiter einer Helmholtz-Nachwuchsgruppe in der GFZ-Sektion 3.6 „Chemie und Physik der Geomaterialien“, hat einen prestigeträchtigen ERC-Consolidator Grant eingeworben. Sein Projekt „Glass2Melt“ wird vom Europäischen Forschungsrat für den Zeitraum von fünf Jahren mit zwei Millionen Euro gefördert. Damit geht bereits zum fünften Mal in diesem Jahr ein ERC-Grant an das GFZ.

Ab Mitte 2024 wird Lobanov mit einem Team Gläser und Schmelzen unter hohen Drücken und Temperaturen untersuchen – als Modellsystem für den Magmaozean der Erde, der vor ca. 4,5 Milliarden Jahren verschwand. Das Erstarrten des Magmaozeans hat den weiteren Verlauf der Erdgeschichte maßgeblich beeinflusst. Lobanov wird von ihm selbst neu entwickelte, ultrapräzise Laser-Techniken einsetzen, um einzigartige Einsichten über die Eigenschaften des Magmaozeans zu gewinnen. Insbesondere wird das Team im Labor die Dichteänderungen von festem und geschmolzenem Glas unter den extremen Bedingungen, die von der Erdkruste bis zum Erdkern herrschen, zu vermessen. Die Erkenntnisse werden auch entscheidend sein für das Verständnis von Prozessen der heutigen Erde im Zusammenhang mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen, zum Beispiel für die Entschlüsselung tiefer seismischer Strukturen und zur Modellierung der Magmadynamik.

Mit den Consolidator Grants fördert der Europäische Forschungsrat exzellente, vielversprechende Wissenschaftle:innen sieben bis zwölf Jahre nach der Promotion, deren Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet.

Brandenburgs Forschungsministerin Manja Schüle gratuliert:

„Forschung, die begeistert: Bereits zum fünften Mal in diesem Jahr zeichnet der Europäische Forschungsrat das Potsdamer GeoForschungsZentrum mit einem der begehrten ERC Grants aus. Ich gratuliere dem Geophysiker Sergey Lobanov sehr herzlich zu diesem phantastischen Erfolg! Die Jury ist vom Zukunftspotenzial seines Projekts ‘Glass2Melt‘ überzeugt – der GFZ-Forscher wird mit seinem Team das natürliche Glasschmelzen unter hohem Druck und Temperaturen untersuchen. Die von Sergey Lobanov entwickelte, ultrapräzise Laser-Technik liefert Daten, die zum Verständnis von Prozessen der heutigen Erde im Zusammenhang mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen beitragen. Einmal mehr zeigt sich: Wissenschaft in Brandenburg ist ausgezeichnet – und wird ausgezeichnet!“

Auch die Wissenschaftliche Vorständin des GFZ, Susanne Buiter, freut sich über den Erfolg:

„Herzlichen Glückwunsch an Sergey Lobanov zu diesem herausragenden Erfolg, der auch für das GFZ von großer Bedeutung ist. Mit seinem Projekt spannt er nicht nur einen großen zeitlichen Bogen – von den Anfängen der Erdgeschichte bis in die Gegenwart, mit Relevanz für grundlegende Erkenntnisse ebenso wie für aktuelle Naturkatastrophen. Seine Forschung zeigt auch, wie sich aus winzigen Proben in einer exzellent aufgebauten Laborumgebung Erkenntnisse über unzugängliche Bereiche unter den extremen Bedingungen im Inneren der Erde gewinnen lassen. Besonders erfreulich ist, dass Sergey Lobanov dabei auf die erfolgreichen Ergebnisse seiner Helmholtz-Nachwuchsgruppe aufbauen kann.“
 

Das Projekt „Glass2Melt“ im Detail

Magmaozeane sind riesige geschmolzene Regionen auf Planeten. Auf der Erde erstarrte dieser Ozean vor 4,5 Milliarden Jahren durch Kristallisation. „Obwohl diese Phase schon lange vorbei ist, ist sie äußerst wichtig, weil sie die weitere Entwicklung der Erde maßgeblich beeinflusst hat. Um die Erde zu verstehen, müssen wir also die physikalischen Eigenschaften des Magmas im tiefen Erdinneren kennen“, sagt Sergey Lobanov.

Eine wichtige Unbekannte ist die Dichte der Schmelzen bei hohem Druck. Sie bestimmt, ob die kristallisierenden Phasen aufsteigen oder absinken. Damit bestimmt die Magmadichte auch die Migration, die räumliche Verteilung und die Speicherung von Schmelzen im heutigen Erdmantel, was wiederum Auswirkungen zum Beispiel auf Vulkanausbrüche hat.

Herausforderung: Messung der Dichte von Silikatschmelzen bei hohem Druck

Die Dichte von Silikatschmelzen ist bislang jedoch nur bei Atmosphärendruck gut bekannt, da sie bei hohem Druck extrem schwer zu messen ist.

Grundsätzlich lassen sich Schmelzen, die denen im Erdinneren sehr ähneln, im Labor herstellen. Um den enormen Druck, der im mehrere Tausend Kilometer tiefen Erdinneren herrscht, nachzubilden, werden die Forschenden das Material zwischen den Spitzen zweier Diamanten zusammenpressen – in einer sogenannten Diamantstempel-Zelle. Aufgrund ihrer Härte und der sehr geringen Fläche von wenigen Mikrometern sind die hierfür nötigen Kräfte überschaubar. Durch die transparenten Diamanten lässt sich Laserlicht zum Aufheizen und Schmelzen der eingeklemmten Probe einkoppeln.

„Diese Technik ist sehr leistungsfähig, denn sie ermöglicht es uns, durch Variation von Druck und Temperatur im Labor quasi von der Erdkruste bis zum Erdkern vorzudringen. Die Messung der Dichte beziehungsweise des dazu umgekehrt proportionalen Volumens ist unter diesen Bedingungen aber eine große Herausforderung, denn die Proben sind heiß, reaktiv, eingeklemmt und unvorstellbar klein: etwa eine Million Mal kleiner als ein Kubikmillimeter“, erläutert Lobanov.

Eine besondere Herausforderung ergibt sich dadurch, dass die Glasschmelzen keine regelmäßige Kristallstruktur haben. Während die Flächenänderung der Probe durch die transparenten Diamanten hindurch vergleichsweise gut feststellbar ist, lässt sich ihre Dicke nicht über den Einsatz etablierter Verfahren wie der Röntgenbeugung bestimmen.

Neuer Ansatz: Messung der Probendicke mit weißem Laser

„Unser neuer Ansatz in Glass2Melt beruht auf der innovativen Technologie des weißen Lasers, der ebenfalls durch die Diamanten auf die Probe gelenkt wird. Durch Reflexion des Lichts an beiden Seiten der Probe kann ihre Dickeänderung in Reaktion auf Druck und Temperatur auf der Nanometerskala gemessen werden“, erläutert Lobanov.

Und er ergänzt: „Diese Methode haben wir im Rahmen meiner Helmholtz-Nachwuchsgruppe in ganz anderem Zusammenhang entwickelt. Und als wir demonstriert hatten, dass man so etwas tatsächlich messen kann, habe ich mir überlegt, für welches wirklich bedeutende Problem man diese Technik anwenden sollte. So entstand dann diese Projektidee.“

Projektziel: Universelles Schmelzdichtemodell

Das Hauptergebnis dieses Projekts wird das erste universelle Schmelzedichtemodell sein, das für alle Silikatflüssigkeiten zwischen der Kruste und dem Kern gilt. Damit soll „Glass2Melt“ einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der Ausgangsbedingungen der Erdentwicklung sowie der seismischen Strukturen und der Magmadynamik im heutigen Erdmantel leisten.
 

Zur Person

Dr. Sergey Lobanov ist seit 2018 Leiter einer Helmholtz-Nachwuchsgruppe am GFZ. Zuvor hat er seit 2012 – nach der Promotion am V.S. Sobolev Institute of Geology and Mineralogy (Novosibirsk, Russland) –, einige Jahre in den USA geforscht: Zunächst als Post-Doc und Wissenschaftler am Geophysical Laboratory, Carnegie Institution of Washington, dann als Research Assistant Professor an der Stony Brook University. Zwischendurch war er von 2014 bis 2015 „Foreign Postdoctoral Fellow“ am Institut für Festkörperphysik der „Chinese Academy of Sciences“ in Hefei, China. 2019 wurde er mit dem „Mineral and Rock Physics Early Career Award“ der American Geophysical Union (AGU) und dem „Emerging Leader Award“ des „Deep Carbon Observatory“ ausgezeichnet.

 

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