Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Eruption bei Grindavík

19.12.2023: Eruption mit langsam fließenden Lavaströmen südwestlich der isländischen Hauptstadt Reykjavík

Ein neuer Ausbruch in der Region um Grindavík im Südwesten Islands hat sich bereits im Oktober 2023 angekündigt. Zum einen hatten die Erdbeben zugenommen, andererseits war eine Aufwölbung in den Satellitenradardaten erkennbar. Höhepunkt im November dieses Jahres war eine Bruchbildung, die unter anderem durch die Kleinstadt Grindavik verlief. Seither wurde mit einem größeren Ausbruch gerechnet. Die Eruption, die sich nun in den Morgenstunden des 19. Dezember (MEZ) ereignete, war die vierte Eruption in Reihe. Ausbrüche fanden zuvor weiter im Osten, sowohl im Sommer 2023, wie auch 2022 und 2021 statt.

Dieser neue Ausbruch ist deutlich größer, mit deutlich höheren Eruptionsraten, deutlich höheren Lavaströmen und einem 3500 m langem Teilstück eines 14 km langen Spaltes, der in Richtung Nordost-Südwest fast parallel zur Hauptstraße in Grindavík verläuft. Die Erdbeben in den frühen Morgenstunden des 19.12. zeigen eine südwärts verlaufende Fortsetzung des Lavastroms. Die Kleinstadt Grindavik wurde bereits Anfang November evakuiert. Die Befürchtung ist nun einerseits, dass sich die Eruption in diese Stadt hineinverlagert. Andererseits werden größere Mengen an Gasen freigesetzt. Da die Eruption südwestlich der Hauptstadt Reykjavik ereignete, ist es möglich, dass bei gegebenen ungünstigen Winden auch die Anwohner:innen in Reykjavik aufgerufen werden, sich nicht mehr im Freien aufzuhalten. Ferner ist das Risiko einer Beschädigung der nahen Geothermieanlage gegeben; trotz der raschen Aufschüttung von Erdwällen zur Eindämmung der Lavaströme.

Art der Eruption
Es handelt sich beim derzeitigen Ausbruch um eine effusive Eruption. Effusiv bedeutet, dass Lavaströme fließen, sich langsam fortbewegen und der Topographie folgen. Die anfängliche Lage der Eruption ist nördlich der Wetterscheide, so dass sich Lavaströme eher nach Norden bewegen. Diese Situation kann sich aber schnell verändern, insbesondere sind Verlagerungen von Erdbeben nach Süden genau zu überwachen. Es ist derzeit nicht zu erwarten, dass die Vulkanaktivität wie beim Ausbruch des Eyjafjallajökull im Jahr 2010 explosiv wird.

Das GFZ vor Ort
Die Region um die Kleinstadt Grindavik ist bereits seit vier Jahren als seismisch unruhige Region bekannt. Auch in den letzten drei Jahren haben Wissenschaftler:innen eine Aufwölbung beobachtet. Im Unterschied zu der Aufwölbung von 2020 fiel die Aufwölbung diesmal deutlich stärker aus. Sie war ungefähr zehnfach größer. Auch vom Umfang her war die Aufwölbung deutlich größer als in den letzten Jahren. Eine stärkere Eruption war demnach zu erwarten. Aus diesem Grund ist auch das GFZ mit seiner Grundlagenforschung seit Anfang November 2023 vor Ort präsent. Zu dieser Zeit hatte sich gerade ein neuer Spalt aufgetan, der die Stadt Grindavik auch erreichte. Über die Ursache dieser Spalte wird noch diskutiert.

Was wurde bisher beobachtet?
Magma sammelt sich in der Tiefe an, bis es irgendwann zum Bruch kommt und Magma anschließend an die Oberfläche wandern kann. Bereits am 11. November 2023 hatte sich eine Magmaspalte geöffnet, eine Gangintrusion. Diese war mit circa 14 km relativ lang und es wurde damals bereits vermutet, dass der Ausbruch, der nun zu beobachten ist, kommen wird. Dennoch: Zu diesem Zeitpunkt schien das Magma in wenigen hundert Metern Tiefe stecken geblieben zu sein. Mittlerweile zeigen bessere Daten, dass das Magma in 500-900 m Tiefe stecken geblieben war. Es erreichte die Oberfläche nicht. Allerdings sind an der Erdoberfläche auf diese Weise viele Störungen reaktiviert worden. Viele Gebäude in Grindavik haben Schäden davongetragen. Unsere Wissenschaftler:innen haben diese neuen Brüche, die wir in den Satellitendaten sehen, mit einem archivierten Fotodatensatz (Luftbildern) verglichen. Diese Daten sind schon in den 1950er und 1960er Jahren aufgenommen wurden. Auch damals waren an dieser Stelle schon Spalten zu sehen. In den darauffolgenden Jahrzehnten hat man die Stadt Grindavik gebaut, sodass diese Spalten nicht mehr sichtbar waren. Durch die Verformungsaktivität im November 2023 traten diese aber wieder zutage.

Aktuelle Daten aus der Region Grindavík
Das GFZ hat bereits im November 2023 drei Teams ausgesendet, die bei Grindavík Seismometer installiert haben. Es wurden zudem mit Drohnen Überflüge gemacht, um die Topographie/ Morphologie exakt zu vermessen. Drohnen können Bilder aufnehmen, die sich überlappen und aus welchen sehr hochauflösende digitale Geländemodelle gefertigt werden können. GFZ-Wissenschaftler:innen haben digitale Zwillinge von den Vulkanen erstellt, was dank der Unterstützung isländischer Partner, insbesondere bei der Genehmigung von Drohnenflügen im gesperrten Gebiet, sehr gut funktioniert hat.

Temperaturanomalien untersuchen
Die Drohnen des GFZ sind beispielsweise auch mit radiometrischen Thermalkameras bestückt. Mit ihnen lassen sich Temperaturanomalien unter 0,5° Celsius nachweisen. Überraschend war, dass wir Mitte November während des GFZ-Einsatzes noch keinerlei Temperaturanomalien nachweisen konnten. Temperaturanomalien entstanden allein durch die in Folge starker Dehnung geplatzten Wasserleitungen.

Glasfaserkabel zur Aufzeichnung seismischer Aktivitäten
Ein anderes GFZ-Team hatte bereits Erfahrungen in Island. In 2015 und 2020 haben die Wissenschaftler:innen in genau dieser Region Islands bereits Glasfaserkabel zur Messung von Erschütterungen eingesetzt – siehe Artikel von 2018 "Eine 'lange Leitung' als neues Hilfsmittel der Seismologie" und 2020 "Erdbeben auf Island über Telefonglasfaserkabel registriert". Daher gab es bereits einen engen Kontakt mit den Partnern vom Iceland Geosurvey (ISOR) und dem lokalen Telekommunikationsunternehmen (Mila). Die Methode funktioniert, indem am Glasfaserkabel ein so genannter Interrogator angeschlossen wird, der Lichtimpulse in die Faser sendet. An kleinen Fehlern innerhalb des Kabels, die beim Bau der Glasfaser überall auf natürliche Weise entstehen, wird das Licht in alle Richtungen gestreut. So kehrt ein Teil davon auch zum Interrogator zurück, wo es analysiert wird. Erfährt der Boden und damit auch das Kabel eine Dehnungsänderung, zum Beispiel durch Vibrationen, ändert sich auch die Streuung des gesendeten Signals in der Faser, womit dann die Bewegungen entlang der Faser berechnet werden können. Die Erfassung ist derzeit so eingerichtet, dass die Dehnung alle 4 Meter gemessen wird. Das entsprechen bei 15 Kilometer Länge 3750 "Seismometer" und diese ermöglichen es, Erdbeben mit einer erhöhten Genauigkeit zu lokalisieren.

Daten vom Beginn des Ausbruchs
Die Wissenschaftler:innen haben nun aufgrund der frühzeitigen Installation der Messgeräte Daten vom Beginn eines Ausbruchs. Daher sind dies ganz besonders spannende Daten. GFZ-Wissenschaftler:innen können derzeit nur auf die online verfügbaren Daten zugreifen. Dennoch werden aktuell permanent weiter Daten erfasst, die zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet werden können. Die Breitbandseismometer, die kleinste Erschütterungen aufnehmen, müssen wieder besucht werden, sobald das gefahrloser möglich wird. Momentan ist nicht klar, in welche Richtung sich der Spalt weiter ausbreiten wird.

HART-Mission: Reaktivierung bereits bestehender Strukturen untersuchen
Eines der Hauptziele der GFZ HART-Mission (Hazard and Risk Team) ist es, die Reaktivierung von pre-existierenden Strukturen besser zu verstehen. In anderen vulkanischen Regionen gibt es höchstwahrscheinlich ebensolche verborgenen Strukturen. Island eignet sich aber besonders, weil es dort gute Aufschlüsse an der Erdoberfläche gibt und wir Grundlagenforschung betreiben können. Gleichzeitig gibt es die bereits seit 80 Jahren archivierten Luftbilder, auf die wir zugreifen können. Die Daten sind frei verfügbar.

Unterstützung der Forschenden / Partner vor Ort
Mit unserer GFZ-Grundlagenforschung unterstützen wir auch die Wissenschaft vor Ort. Bei so aktuellen Ereignissen wie diesem haben die wenigen isländischen Professor:innen alle Hände voll zu tun. Gleichzeitig besteht ihrerseits ein Interesse an den Verfahren, die die Wissenschaftler:innen vor Ort nicht haben. Dies sind zum Beispiel die mit Thermalkameras bestückten Drohnen. Die Seismolog:innen haben außerdem GFZ-Geräte im November genau dort installiert, wo noch Lücken bestanden haben (insbesondere im westlichen Bereich von der Reykjanes-Halbinsel).

Das GFZ arbeitet dabei sehr eng mit der Universität Island zusammen. Eines unserer GFZ-Einsatzteams arbeitet gemeinsam mit ISOR (Iceland Geothermal Energy GeoSurvey | ÍSOR), einem Institut für geothermische Exploration. Sie kooperieren außerdem mit britischen Wissenschaftler:innen von University of Cambridge und tschechischen Kolleg:innen.
 

[Anm. der Red.: Der Absatz "Glasfaserkabel zur Aufzeichnung seismischer Aktivitäten" wurde am 21.12.2023 bearbeitet.]

 

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Update 21.12.2023
Die Eruption ist (vorerst) vorbei. Allerdings ist jetzt (21.12.23) wieder eine neue Hebungsphase zu erkennen. Die Magmakammer schwillt erneut an.

Weiterführende offizielle Informationen der ‚Icelandic Met Office
Stand: 19. Dezember um 18:30 UTC

Die Eruption schwächt sich weiter ab. Neue Luftbilder des Gebiets zeigen, dass südöstlich von Stóra-Skógfell momentan drei Schlote ausbrechen, vorher waren es fünf. Die Lava ist hauptsächlich in Richtung Osten geflossen, aber es gibt auch eine Lavazunge, die in Richtung Westen aus der Region nördlich von Stóra-Skógfell fließt.

Seit Beginn des Ausbruchs wurden etwa 320 Erdbeben über den Magmakanälen gemessen. Das stärkste Beben mit einer Stärke von 4,1 ereignete sich am Montag um 23:25 Uhr. Nach Mitternacht ging die seismische Aktivität deutlich zurück, und seit 12 Uhr (19.12.) wurden in der Region nur noch 10 Erdbeben registriert. Nach dem Ausbruch in Sundhnúksgíga sank das Land in Svartsengi um mehr als 5 cm. Zuvor hatte sich das Land dort seit der Bildung des Magmakanals am 10. November um etwa 35 cm gehoben. Es ist noch zu früh, um festzustellen, ob sich unter dem Svartsengi weiterhin Magma ansammelt und ob das Land wieder ansteigt.

Während die Eruption am Sundhnúksgíga anhält, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Schlote entlang der ursprünglichen Spalte sowie weiter nördlich oder südlich öffnen. Ein Rückblick auf die Vorgeschichte des Ausbruchs zeigt, dass zwischen den ersten Anzeichen und dem Beginn der Eruption etwa 90 Minuten lagen. Daher könnte die Vorwarnzeit für die Öffnung neuer Schlote in Sundhnúk sehr kurz sein.

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Task Force Team / Beteiligte GFZ-Wissenschaftler:innen:

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