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Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

Präambel

Seit dem Beginn moderner Wissenschaft im 17. Jahrhundert als rationale Welterkundung und Motor von Technik und Wirtschaft haben sich sogenannte "Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis" entwickelt. Sie umfassen von epistemologischen Verfahrensweisen bis hin zu ethischen Imperativen ein weites Spektrum von Verhaltensweisen, die für die wissenschaftliche Praxis, ihren langfristigen Erfolg und ihre gesellschaftliche Glaubwürdigkeit konstituierend sind.

Dieser Praxis zugrunde liegen die Maximen uneingeschränkter Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber bei der Ermittlung und Darstellung wissenschaftlicher Sachverhalte, der unbedingten Redlichkeit in der Zuweisung von Ideen und Ergebnissen zu deren Urhebern in Vergangenheit und Gegenwart und der möglichst vollständigen Dokumentation und Darstellung zum Zweck eines offenen wissenschaftlichen Diskurses, welcher Nachprüfungen und jede Art sachlich begründeter Kritik an Ideen, Verfahren und Ergebnissen ebenso einschließt, wie das Recht auf gutgläubige Fehler und auf Irrtum.

Diese gute wissenschaftliche Praxis in ihren jeweils fachspezifischen Ausprägungen wurde und wird seit jeher von der großen Mehrheit der Wissenschaftler befolgt, und - im Wesentlichen durch das Vorbild der älteren Wissenschaftler/innen - an die Jüngeren weitergegeben.

Darüber hinaus hat das GFZ seit seiner Gründung im Rahmen seiner originären Unternehmens- und Arbeitgeberpflichten sowie seiner Auflagen und Pflichten im Rahmen von Genehmigungen und einer ganzen Reihe gesetzlicher Vorschriften entsprechende Vorschriften und Grundregeln der Sorgfalt und Gewährleistung von Zuverlässigkeit etabliert. Die wissenschaftliche Arbeit des GFZ gründet daher auf einer über viele Jahre gewachsenen zuverlässigen Praxis sowie qualitätssichernden Standards.

Aufgeschreckt durch einige aktuelle Fälle in der internationalen Wissenschaftsszene haben die großen Forschungseinrichtungen in Deutschland - wie auch schon in anderen Ländern - explizite Empfehlungen zur "Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" formuliert.

Nach diesen Vorschlägen sollen die schon immer von der überwältigenden Mehrzahl der WissenschaftlerInnen verinnerlichten und befolgten Regeln dieser Praxis möglichst explizit gemacht werden; zugleich sollen Verfahren institutionalisiert werden, die festlegen, wie bei Vorwürfen von wirklichem oder vermeintlichem wissenschaftlichem Fehlverhalten von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vorgegangen werden soll.

Das GFZ legt in Ausfüllung der Rahmenregelung der Helmholtz-Gemeinschaft [1] dazu fest:

Regel 1: Verantwortung

Das GFZ als Ganzes sowie alle Personen, die in ihm Personalführungsaufgaben im Wissenschaftsbereich betraut sind, haben eine besondere Verantwortung für die Einhaltung der Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis, wie sie in der Denkschrift [2] der Deutschen Forschungsgemeinschaft überzeugend und im Detail dargelegt sind. Insbesondere gehört dazu, dem wissenschaftlichen Nachwuchs nicht nur eine angemessene fachwissenschaftliche Betreuung zu sichern, sondern ihm sowohl implizit durch das eigene Vorbild als auch explizit diese Grundsätze nahe zu bringen.

Regel 2: Organisation

Jede/r Vorgesetzte trägt die Verantwortung für eine angemessene Organisation, die sichert, dass in Abhängigkeit von der Größe der einzelnen wissenschaftlichen Arbeitseinheiten die Aufgaben der Leitung, Aufsicht, Konfliktregelung und Qualitätssicherung eindeutig zugewiesen sind und gewährleistet ist, dass sie tatsächlich wahrgenommen werden.

Regel 3: Gute wissenschaftliche Praxis

Gute wissenschaftliche Praxis beruht auf den Prinzipien der wissenschaftlichen Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Redlichkeit und des offenen Diskurses. Dieser offene wissenschaftliche Diskurs und seine Voraussetzungen müssen gewahr und dem Nachwuchs eingeübt werden. Hierzu gehört die Ermunterung zu sachlich begründeter wissenschaftlicher Kritik und Meinungsvielfalt unabhängig von der hierarchischen Stellung der Beteiligten, die Verpflichtung, die Priorität von Anderen an Ideen und Ergebnissen in Vergangenheit und Gegenwart anzuerkennen und zu zitieren sowie die Förderung der Bereitschaft, mit Gelassenheit sachliche Kritik hinzunehmen und nachgewiesene oder selbst erkannt eigene Fehler und Irrtümer vorbehaltlos einzugestehen. Solches als sachlichen - und nicht die Person diskreditierenden - Bestandteil des wissenschaftlichen Diskurses aufzufassen, gehört zu den bedeutendsten Errungenschaften unsere Wissenschaftskultur.

Weiterhin gehört zur Möglichkeit umfassender Kritik und Nachprüfung die Sicherung wissenschaftlicher Primärdaten. Sofern solche Daten Grundlage von Veröffentlichungen, Patenten oder laufender F+E Arbeiten sind, sind sie auf gesicherten Trägern - für die betroffene Organisationseinheit zugreifbar - mindestens zehn Jahre lang aufzubewahren.

Regel 4: Fehlverhalten

Wissenschaftliches Fehlverhalten ist immer dann zu unterstellen, wenn Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis entsprechend der Regel 3 absichtlich verletzt oder zu wissenschaftsfremden Zwecken umgangen werden. Das Spektrum möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens kann dabei von kriminellen, strafrechtlich relevanten Akten bis hin zu marginalen Verstößen gegen Grundsätze wissenschaftlicher Ethik reichen. Zugleich kann es sich um die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handeln.

Als wissenschaftliches Fehlverhalten kommt insbesondere in Betracht:

Fälschung wissenschaftlicher Sachverhalte beispielsweise

  • Erfindung/Vortäuschung von Ergebnissen,
  • Verfälschen von Ergebnissen, etwa durch Verschweigen und Ausblenden "unerwünschter" Ergebnisse,
  • wissentliches Ignorieren gegenteiliger relevanter Ergebnisse anderer,
  • absichtlich verzerrte Interpretation von Ergebnissen,
  • absichtlich verzerrte Wiedergabe fremder Forschungsergebnisse,

    Irreführung durch wissentliche Falschangaben beispielsweise bei

    • Bewerbungen,
    • Förderanträgen und Berichten über die Verwendung von Fördermitteln,
    • Publikationen, etwa Mehrfachpublikation ohne entsprechende Zitate,

    Verletzung geistigen Eigentums beispielsweise durch

    • unbefugte Verwertung unter Anmaßung der AutorInnenschaft (Plagiat),
    • Anmaßung oder unbegründete Annahme wissenschaftlicher AutorInnen- oder MitautorInnenschaft
    • Verweigerung eines durch angemessne Beiträge erworbenen Anspruchs anderer auf MitautorInnenschaft,
    • Ausbeuten, Veröffentlichen oder anderen Zugänglichmachen von fremden, nicht veröffentlichten konkreten Ideen, Methoden, Forschungsergebnissen oder -ansätzen ohne Zustimmung der/des Berechtigten (Ideendiebstahl),
    • wissenschaftliches Verschweigen wesentlicher relevanter Vorarbeiten anderer,

    Sabotage durch böswillige Beschädigung, Zerstörung oder Manipulation von Arbeitsmitteln ohne Zustimmung der/des Berechtigten beispielsweise von

    • Geräten und Versuchsanordnungen,
    • Daten, Unterlagen und elektronischer Software,
    • Verbrauchsmitteln (z.B. Chemikalien),

    Mitverantwortung für wissenschaftliches Fehlverhalten anderer kann sich beispielsweise ergeben durch

    • aktive Beteiligung am Fehlverhalten anderer,
    • Mitwissen und Tolerieren des Fehlverhaltens anderer,
    • MitautorInnenschaft an fälschungsbehafteten Veröffentlichungen,
    • Grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht.

    Regel 5: Ahndung

    Es gehört zur Wissenschaftsethik, wissenschaftliches Fehlverhalten anderer, nicht schweigend zu tolerieren. Das übliche Vorgehen bei Verdacht auf Fehlverhalten sollte sein, die mögliche Verfehlung bei ihren Urhebern anzusprechen und um Klärung und gegebenenfalls Korrektur nachzusuchen.

    Aus vielerlei Gründen kann dies aber auf Schwierigkeiten stoßen. Das GFZ institutionalisiert deshalb in Regel 6 ein Verfahren, welchem zu folgen ist, wenn ein Verdacht oder Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen eine/n Mitarbeiter/in des GFZ aufkommt, der nicht im direkten Gespräch oder mit den üblichen Instrumentarien der Personalführung geklärt werden kann.

    Regel 6: Verfahren zum innerbetrieblichen Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens

    (Diese Verfahrensregelung steht in einem immanenten rechtlichen Spannungsverhältnis: Betriebsinterne Verfahrensregelungen dürfen bspw. die arbeitsrechtlichen Pflichten/Instrumentarien nicht entkräften. Sie müssen darüber hinaus natürlich aber auch mit der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit konform gehen.)

    6.1 Ombudsperson- Voraufklärung

    6.1.1. Der Vorstand benennt auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Rates einen erfahrenen Wissenschaftler als Ombudsperson und Ansprechpartner in Fragen wissenschaftlichen Fehlverhaltens für jeweils drei Jahre.

    Im Falle konkreter Verdachtsmomente für wissenschaftliches Fehlverhalten soll zunächst die zuständige Ombudsperson schriftlich - ggf. unter Beifügung von Beweis- oder Belegmaterial unterrichtet werden.

    Auch die des Fehlverhaltens Verdächtigen selbst können sich an die zuständige Ombudsperson mit der Bitte um Klärung und Beistand wenden.

    6.1.2. Die Ombudsperson ergreift unverzüglich die ihr geeignet erscheinenden bzw. gebotenen Schritte, um den näheren Sachverhalt möglichst umfassend und diskret aufzuklären.

    6.1.3. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist dabei dem/der von dem Verdacht Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

    6.1.4. Sobald sich der Verdacht erhärtet, hat die Ombudsperson unter Einbeziehung des wissenschaftlichen sowie des administrativen Vorstands über den Stand der Sachverhaltsaufklärung zu informieren, damit ggf. fristwahrend arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet werden können. Im Übrigen ist die Ombudsperson zum Stillschweigen verpflichtet.

    6.1.5. In den Fällen, in denen sich der Verdacht nicht erhärtet, bleibt es bei den klärenden Schritten im Ermessen der Ombudsperson.

    6.2 Ergebnis der Voraufklärung - Abschlussbericht der Ombudsperson

    Die Ombudsperson verfasst abschließend einen Bericht über das Ergebnis der Voraufklärung und leitet ihn zusammen mit einem Vorschlag zum weiteren Vorgehen an den wissenschaftlichen Vorstand.

    Der Vorstand entscheidet nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates aufgrund des Berichts der Ombudsperson

    • über den Abschluss des Vorgangs, sofern sich der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten nicht erhärtet hat
    • die Einsetzung einer Untersuchungskommission (6.3), sofern der Vorstand weiter Sachaufklärung für geboten hält
    • die Verhängung notwendiger Sanktionen bzw. die Anstrengung notwendiger Verfahren, sofern sich der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten bestätigt hat

    Ein internes Beschwerdeverfahren gegen den Bericht der Ombudsperson findet nicht statt.

    6.3 In schweren Fällen oder bei komplizierten Sachverhalten von grundsätzlicher Bedeutung wird zur weiteren Sachverhaltsaufklärung auf Grundlage des von der Ombudsperson im Rahmen der Voraufklärung erstellten Abschlussberichts eine Untersuchungskommission eingesetzt.

    6.3.1. Sie setzt sich wie folgt zusammen:

    • wissenschaftlicher Vorstand,
    • administrativer Vorstand,
    • ein/e vom Wissenschaftlichen Rat bestimmte/r WissenschaftlerIn

    Bei Bedarf können zu den Beratungen der Untersuchungskommission externe Sachverständige/Gutachter zur Beratung hinzugezogen werden. In Verdachtsfällen, die von außerhalb des Zentrums an das GFZ herangetragen werden, muss die Untersuchungskommission um ein externes Mitglied ergänzt werden.

    Den Vorsitz führt der wissenschaftliche Vorstand, in seiner Abwesenheit der administrative Vorstand.

    6.3.2. Die Untersuchungskommission hat den Sachverhalt unter Anhörung aller Beteiligten sowie aller sonstigen denkbaren Erkenntnisquellen in freier Beweiswürdigung aufzuklären.

    6.3.3. Verfahrensgrundsätze

    Die Beratungen der Untersuchungskommission sind nicht öffentlich. Die Beteiligten sind im Hinblick auf sämtliche, den Fall ausmachenden Informationen zum Stillschweigen verpflichtet.

    6.3.4. Das Ergebnis der Untersuchungen wird von dem/der Vorsitzenden der Untersuchungskommission zusammengefasst und dem/der Betroffenen sowie auf sein/ihr Verlangen auch demjenigen/derjenigen, der/die einen Verdacht geäußert hatte, schriftlich bekannt geben.

    Auf der Grundlage des Ergebnisses der Untersuchungskommission hat der Vorstand die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

    Ein internes Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen der Untersuchungskommission bzw. des Vorstands findet nicht statt .

    Mögliche Konsequenzen wissenschaftlichen Fehlverhaltens

    Wissenschaftliches Fehlverhalten kann je nach den Umständen des Einzelfalls folgende Konsequenzen haben:

    • strafrechtliche Konsequenzen,
    • akademische Konsequenzen in Form des Entzugs akademischer Grade,
    • Widerruf von wissenschaftlichen Publikationen,
    • Arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Abmahnung oder Kündigung,
    • Zivilrechtliche Konsequenzen, wie die Erteilung eines Hausverbotes, Herausgabe- oder Schadensersatzansprüche,
    • Information der Öffentlichkeit/Kooperationspartner.

    Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis werden künftig in den Arbeitsverträgen des GFZ als möglicher Grund für eine außerordentliche Kündigung ausgewiesen.


    Potsdam, 30. November 2017

    GFZ-Vorstand


    [1] Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren: Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und Verfahren bei wissenschaftlichen Fehlverhalten, Bonn, Sept. 1998
    [2] Deutsche Forschungsgemeinschaft- Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Willy-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2013

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