Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Operationelle Bestimmung von RSO und NRT Orbits

Zur Prozessierung von GNSS Radio-Okkultationsdaten im GNSS Atmospheric Sounding Project (ATMO) sind präzise Bahnen der GPS-Satelliten und der tief fliegenden Empfänger (Low Earth Orbiting, LEO) notwendig. Die Nutzung der Radio-Okkultationsprodukte für die operationelle Wettervorhersage machte es darüber hinaus notwendig, solche Satellitenbahen mit einer Latenzzeit zur Verfügung zu stellen, die so klein wie möglich ist. Am GFZ wurden zwei Systeme zur Orbit-Bestimmung entwickelt, die diesen Anforderungen genügen, und diese werden bis heute betrieben. Das erste, das System zur Bestimmung des so genannten Rapid Science Orbit (RSO), erzeugt präzise Satellitenbahnen mit einem Tag Verzug. Diese werden für Validationen genutzt, die nicht in Echtzeit laufen, und zur Erzeugung des lückenlosen Radio-Okkultations-Produktes (vertikale Profile von Strahlkrümmungs-Winkeln, Temperatur und Luftfeuchtigkeit). Das zweite System zur Bestimmung von Bahnen in nahezu Echtzeit, Near-Real Time (NRT), erzeugt neue Orbits bei jedem Erdumlauf (also etwa alle 1.5 Stunden) mit einer Zeitverzögerung vom 15-30 Minuten. Diese sind erforderlich  für die operationelle Bereitstellung von quasi verzögerungsfreien Radio-Okkultationsprodukten. Die Prozessierungs-Systeme NRT und RSO können gegenwärtig Bahnen für alle GPS-Satelliten erzeugen. Dazu kommen die LEO-Satelliten CHAMP, GRACE A/B, SAC-C, COSMIC 1-6, TerraSAR-X und TanDEM-X. Diese Produkte werden im GFZ Information System and Data Center (ISDC) gespeichert und sind darüber hinaus weltweit allen wissenschaftlichen Anwendern zugänglich.

Rapid Science Orbits

Das System Rapid Science Orbit wurde zunächst im Jahre 2001 für den CHAMP-Satelliten entwickelt. Es diente der Bereitstellung von Orbits im täglichen Rhytmus, und erlaubte die Prozessierung von Radiookkultations-Daten die vom Bordempfänger von CHAMP gesammelt wurden (siehe GPS Radio-Okkultationssystem mit CHAMP). Das RSO-System erzeugt die Satelliten-Orbits aus GPS Daten, wobei die GFZ-eigene Software "Earth Parameter and Orbit System - Orbit Computation" (EPOS-OC) im so genannten "Zwei-Schritt-Verfahren" zum Einsatz kommt. Bei letzterem Verfahren werden, im ersten Schritt, durch Nutzung eines über den ganzen Globus verteilten Netzes von Bodenstationen, GPS-Orbits und Uhrenparameter geschätzt. Im zweiten Schritt fliessen die so gewonnenen GPS-Orbits und Uhren als feste Grössen in eine nachfolgende Ausgleichung von Low Earth Orbiting (LEO) Satelliten ein. Die vom RSO produzierten LEO-Orbits werden durch unabhängige Laser-Entfernungsmessungen (Satellite Laser Ranging, SLR) validiert und habe eine Genauigkeit von ungefähr 5 cm. Das RSO-System wurde im Jahre 2003 um den Satelliten SAC-C erweitert. Danach folgten im Jahre 2004 GRACE-A und GRACE-B um die Prozessierung von Radio-Okkultations-Daten dieser Satelliten zu ermöglichen (GRACE-RO). Dazu kamen dann COSMIC 1-6 im Jahre 2006 (COSMIC-RO), TerraSAR-X im Jahre 2007 (TerraSAR-X RO) und TanDEM-X im Jahre 2010 (TanDEM-X RO). Das RSO-System kann auf einfache Weise für weitere Satellitenmissionen erweitert werden. Um die ununterbrochene Verfügbarkeit von Orbit-Daten zu garantieren, sind zeitweise Eingriffe und Reparaturen "von Hand" notwendig, wenn die Satellitenbahnen, etwa im Falle Datenproblemen oder Qualitätsmängeln, nicht automatisch gerechnet werden können.

Satellitenbahnen in nahezu Echtzeit (Near-Real Time orbits)

Um die Assimilation von Radio-Okkultationsprodukten in den Prozess der Wettervorhersage zu ermöglichen, wurde ein System zur Satelliten-Bahnbestimmung in nahezu Echtzeit für CHAMP und GRACE entwickelt. Im Rahmen des NRT-RO Projektes im BMBF-Programm GEOTECHNOLOGIEN wurde dieses im Juni 2006 operationell. Genau wie bei RSO kommt im NRT-System zur Bestimmung der LEO-Satellitenbahnen das Zwei-Schritt-Verfahren zum Einsatz. Im Unterschied zur Situation beim RSO hängt die Häufigkeit, mit der die NRT-Orbits berechnet werden müssen davon ab, wie oft der Satellit Messdaten zu den Bodenstationen überträgt.
Dieses geschieht etwa einmal pro Umlauf. Sobald der neue Datensatz verfügbar ist, erzeugt das NRT-System einen neuen Orbit. Die Latenz-Zeit dieser Orbits ist sehr klein; sie beträgt etwa 15-30 Minuten, gemessen von der Epoche des letzten Datensatzes, der in die Prozessierung der jeweiligen Bahn einfliesst. Die für das Zweischritt-Verfahren ebenfalls benötigten NRT-Bahnen der GPS-Satelliten werden - davon unabhängig - alle
15 Minuten mit einer Latenz-Zeit von 10 Minuten erzeugt, um bei einem Herunterladen von LEO-Daten jederzeit verfügbar zu sein. Das NRT-System beinhaltet drei Teilsysteme, die sich dadurch unterscheiden, woher man die GPS-Bahnen bekommt
(also entweder im Hause aus Bodendaten gerechnete, als auch bereits fertige, die der Internationale GNSS-Service bereitstellt). Diese Mehrgleisigkeit erhöht die Redundanz und Verlässlichkeit der Orbit-Produkte. Das System lieferte CHAMP-Orbits bis umittelbar zum Ende dieser Mission im Oktober 2010. Für den SAC-C Satelliten wurde es zum Zwecke der Validierung im Zeitraum von November 2010 bis August 2011 aktiv.
Seit August 2006 generiert es in ununterbrochener Folge NRT-Orbits für den Satelliten GRACE-A. Das NRT-System für TerraSAR-X wurde im August 2007 aktiv gemacht (siehe auch TerraSAR-X RO), und für TanDEM-X (TanDEM-X RO) am 24. Juni 2010, drei Tage nach dessen Start. Dies zeigt übrigens, wie einfach ein neuer Satellit in die Prozesskette eingefügt werden kann. Die Genauigkeit der NRT-Orbits hängt vom jeweiligen NRT-Teilsystem ab, und sie liegt im Bereich vom 5-10 cm,
was durch SLR-Messungen nachgewiesen wurde. Das System ist vollständig automatisiert, muss jedoch vom Menschen überwacht und gepflegt werden.


zurück nach oben zum Hauptinhalt