Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Plasmakonvektion in hohen Breiten

Die Sonne emittiert ständig einen Plasmastrom, den Sonnenwind, der von einem Magnetfeld variabler Richtung durchdrungen ist, dem interplanetaren Magnetfeld (IMF).  Die Wechselwirkung des Sonnenwindes und vor allem des IMF mit der Magnetosphäre der Erde bewirkt  eine großskalige Plasmabewegung innerhalb der Magnetosphäre, die in der polaren Ionosphäre hoher Breiten als kontinuierliche und stark veränderliche Plasmazirkulation auftritt.

 

Wenn das magnetisierte Plasma auf das Erdmagnetfeld trifft, wird es abgelenkt und hinterlässt einen Hohlraum, die Magnetosphäre, die vom Sonnenwind durch eine Grenzfläche, die Magnetpause, getrennt ist.

Während südwärts gerichtetem IMF können sich die Feldlinien des IMF an der Frontseite der Magnetopause mit dem nördlich gerichteten Erdmagnetfeld verbinden, mittels einem als "magnetische Rekonnexion" bezeichneten universellen Plasmaprozess. Diese magnetische Verbindung erlaubt das Eindringen von Sonnenwindplasma in die Magnetosphäre. Einmal mit dem IMF verbunden, werden die terrestrischen Feldlinien, und das eng mit Ihnen verbundene Plasma, durch den Sonnenwind stromabwärts über die Pole der Erde gezogen. Dabei dringen sie tiefer und tiefer in den Magnetosphärenschweif ein, wo sie schließlich erneut "rekonnektieren", d.h. sich wieder zu geschlossenen Feldlinien des Erdmagnetfeldes verbinden. Diese werden anschließend an der Erde vorbei in Richtung Sonne transportiert, bis sie wieder auf das IMF treffen, und der ganze Prozess von vorn beginnt (siehe Abbildung 1a).

Diese großräumige Zirkulation reicht bis in die Ionosphäre, dem ionisierten Teil der oberen Erdatmosphäre. Das Resultat ist ein Zwei-Zellen Wirbelmuster, mit von der Sonne weggerichteter Strömung über den beiden Polkappen, und einer Rückströmung auf der Abend- und Morgenseite in niedrigeren Breiten (Abbildung 1b).

Da Plasmaströmungen quer zu einem Magnetfeld ein elektrisches Feld senkrecht zu beiden erzeugen, ist die Plasmakonvektion gleichbedeutend mit einer elektrischen Potentialdifferenz über den Polkappen, die Werte über 100 kV während der Perioden mit strikt südwärts gerichtetem IMF erreichen kann.

Messungen der Plasmadrift mit dem Electron Drift Instrument (EDI) an Bord der Cluster Satelliten in größeren Entfernungen innerhalb der Erdmagnetosphäre wurden dazu genutzt, um detaillierte Abbilder der Plasmakonvektionsmuster in hohen Breiten der Erdionosphäre zu erstellen. Der Vergleich mit ionosphärischen Messungen erfordert deshalb die Projektion der EDI-Messungen entlang der Magnetfeldlinien bis in die Ionosphäre. Diese Methodik sowie die IMF-Abhängigkeit der resultierenden Plasmakonvektionsmuster in hohen Breiten wurde in der Veröffentlichung von Haaland et al., 2007, beschrieben. In einer zweiten Folgeveröffentlichung (Förster et al., 2007, Annales Geophysicae), die auf dem gleichen Datensatz und der gleichen Datenanalyse beruht, analysierten wir die Abhängigkeit der Plasmakonvektionsmuster in hohen Breiten von verschiedenen Parametern des Sonnenwindes und zeigten die räumlichen Verteilungen der Variabilität der Plasmakonvektion unter verschiedenen IMF- und Sonnenwindbedingungen. Die Plasmakonvektion und seine Variabilität spielen eine wichtige Rolle bei der Jouleschen Aufheizung von Ionosphäre und Thermosphäre (siehe unten).

 

Die Resultate entsprechen exakt den Erwartungen für magnetische Rekonnexion zwischen interplanetarem und terrestrischem Magnetfeld, leicht modifiziert durch die Ionosphäre selbst. Abbildung 2a zeigt die elektrische Potentialverteilung der statistisch gemittelten Plasmakonvektion über der Nordhemisphäre für strikt südwärts gerichtetes IMF. Unter diesen Bedingungen ergibt sich ein klares Zwei-Zellen-Konvektionsmuster. Da die Äquipotentiallinien als Strömungslinien des ionosphärischen Plasmas betrachtet werden können, zeigt dieses Muster also eine starke, von der Sonne weggerichtete Konvektion über den Polkappen und deren Umkehr bei niedrigeren, auroralen und subauroralen Breiten. Bei nördlich gerichtetem IMF (Abbildung 2b) zeigt sich ein deutlich anderes Konvektionsmuster. Dabei wandert der Ort magnetischer Rekonnexion von der Frontseite der Magnetosphäre zu Gebieten schweifwärts der Cusp-Region, d.h. dorthin, wo die in den Magnetosphärenschweif gerichteten, bereits "offenen" Feldlinien ihrerseits dem IMF entgegengerichtet sind. Als Resultat ergibt sich eine Vier-Zell-Struktur der Plasmakonvektion mit einem Wirbelpaar in sehr hohen Breiten polwärts der Cusp-Region, das eine schwache sonnenwärts gerichtete Strömung innerhalb der Polkappe aufweist, während das andere Paar, etwas zur Nachtseite verschoben, eine abgeschwächte antisolare Konvektion zeigt.

Die kleineren Potentialdifferenzen und das erheblich verschiedene Plasmakonvektionsmuster zeigen uns, daß hier andere Prozesse bei der Kopplung zwischen dem Sonnenwind und der Magnetosphäre vorliegen. Die Plasmakonvektion stellt eine bedeutende Antriebskraft für die obere Thermosphäre der hohen Breiten (oberhalb von ~100 km Höhe) dar. Die Thermosphäre hoher Breiten reagiert dabei nicht unmittelbar, sondern - in Abhängigkeit von der lokalen Plasmadichte - mit Verzögerungen von einigen -zig Minuten bis zu Stunden auf Konvektionsänderungen. Die Trägheit des neutralen Thermosphärenwindes trägt andererseits dazu bei, die ionosphärische Plasmazirkulation unabhängig von den magnetosphärischen Antriebskräften aufrecht zu erhalten. Das ist bereits seit längerem als "Schwungrad"-Effekt bekannt. Zirkulationsmuster des thermosphärischen Neutralwindes in hohen Breiten wurden aus Akzellerometer-Messungen des erdnahen Satelliten CHAMP für beide Polarregionen (Nord- und Südhemisphäre) gewonnen und statistisch ausgewertet (Abbildung 3 für die nördlichen hohen Breiten). Diese Analyse zeigte eine deutliche Abhängigkeit der thermosphärischen Windzirkulation in hohen Breiten von der Richtung des IMF (auch "Uhrenwinkel" genannt) im solaren Wind (Förster et al., Annales Geophysicae, 2008).

(siehe dazu auch den Abschnitt "Polare Thermosphärendichte")

 

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