Sektion 2.5: Geodynamische Modellierung
Aktuelle Projekte
EMERGE - Messung und Modellierung von tektonischen CO₂-Emissionen in kontinentalen Rifts
Geologische Prozesse haben in der Vergangenheit große CO₂-Schwankungen verursacht und das Klima beeinflusst. In jüngsten Untersuchungen wurden massive CO₂-Emissionen an kontinentalen Grabenbrüchen festgestellt. Das Projekt EMERGE verknüpft drei innovative Ansätze, um solche CO₂-Ausgasungen zu messen und zu modellieren. Zum einen messen wir mithilfe von Drohinnovativen Methoden die CO₂-Flüsse an Grabenbrüchen in Europa und Ostafrika. Darüber hinaus werden neue Modellierungstechniken entwickelt, mit denen der Einfluss von geodynamischen Prozessen auf den Kohlenstofftransport in der Lithosphäre untersucht wird. Ein dritter Ansatz ist die Integration von Daten der letzten 540 Millionen Jahre aller bekannten Grabenbrüche weltweit. Dadurch kann der Einfluss der CO₂ Entgasung durch das Zerbrechen von Erdplatten auf die langfristige Klimaentwicklung ermittelt werden.
Projektlaufzeit: 2023-2028
Zuwendungsgeber: ERC (European Research Council) Consolidator Grant
Förderkennzeichen: 101087245
Projektverantwortlicher: Sascha Brune
Projektmitarbeiter: Anna Jentsch , Mathias Zöllner , Anne Glerum
Geo-Inquire
Das seit Oktober 2022 von der Europäischen Kommission finanzierte Projekt Geo-INQUIRE bietet der internationalen Forschungsgemeinschaft sogennante Virtual und Transnational Zugänge (VA und TA) zu etwa 150 Einrichtungen, die von 51 europäischen Konsortium-Partnernbetrieben werden - darunter nationalen Forschungszentren, Universitäten, nationalen geologischen Landesvermessungen und europäischen Forschungsinfrastrukturkonsortien wie EPOS, EMSO und ECCSEL sowie dem EU-Exzellenzzentrum für Exascale in Solid Earth (ChEESE). Das auf vier Jahre angelegte Projekt zielt darauf ab, die Bereitstellung von Daten und Diensten weiter zu verbessern und zu harmonisieren, die Multidisziplinarität und Interoperabilität zu stärken, um bereichsübergreifende Barrieren zu überwinden, insbesondere an der Schnittstelle Land-See-Atmosphäre. Die Integration verschiedener Daten, einschließlich neuer Beobachtungsdaten, Produkte und Dienste, wird durch TA-Aktivitäten in sieben multidisziplinären Testumgebungen sowie durch offene Schulungsworkshops und Sommerschulen optimiert und demonstriert.
Letztlich zielt Geo-INQUIRE darauf ab, die nächste Generation von GeowissenschaftlerInnen in die Lage zu versetzen, Spitzenforschung zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen aus einer multidisziplinären Perspektive zu betreiben und dabei die verfügbaren Geoforschungsinfrastrukturen intelligent zu nutzen.
Die Sektion 2.5 leistet einen Beitrag zur Koordinierung des Geo-INQUIRE-Arbeitspakets WP5: "Next generation software access and workflow as a service" sowie zur Entwicklung und Bereitstellung des neuen virtuellen Zugangs (VA) zum Sofort-Tsunami-Modellierungswerkzeug "Gaussian Toolbox". Dieser Dienst ist ein gemeinsames Produkt mit den Kollegen des INGV (Italien); er implementiert das Konzept der Green'schen Meeresoberflächen-Tsunami-Funktionen zur sofortigen Quantitätsbestimmung der Tsunami-Wellenhöhen an der Küste für beliebige seismische Quellen im Mittelmeerraum.
Projektlaufzeit: 2022-2026
Zuwendungsgeber: Europäische Kommission durch "Horizon Europe Programme"
Förderkennzeichen: 101058518
Projekt Koordinatoren: Fabrice Cotton (2.6) and Angelo Strollo (2.4)
Projektverantwortlicher in Sektion 2.5: Andrey Babeyko
Beteiligte GFZ-Sektionen: 2.1, 2.4, 2.5, 2.6 (plus 2.2, 4.2, 5.1 )
Der Aufstieg des Eifelplumes und seine Wechselwirkung mit der europäischen Lithosphäre und Asthenosphäre
Der im Westen Deutschlands gelegene Eifel-Hotspot ist seit mehreren zehn Millionen Jahren vulkanisch aktiv. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Quelle dieser langfristigen vulkanischen Aktivitäten ein Plume ist, sichtbar im oberen Mantel und in einigen Modellen des unteren Mantels. Allerdings ist der tiefe Ursprung des Plumes nach wie vor umstritten, da die Tomographie-Bilder nicht durchgängig einen kontinuierlichen Plumekanal zwischen der Oberfläche und der Kern-Mantel-Grenze zeigen und der Eifel-Hotspot nicht mit einer Flutbasaltprovinz oder einer eindeutig altersabhängigen Hotspot-Spur verbunden ist. Es wurde auch vorgeschlagen, dass es eine stagnierende Platte in der Mantelübergangszone gibt, die durch die alpin-mediterrane Subduktionszone entstanden ist. Diese stagnierende Platte könnte mit dem Eifelplume in Wechselwirkung stehen, doch wurde diese Wirkungsweise bisher noch nicht im Detail mit einem geodynamischen Ansatz untersucht. Darüber hinaus könnten der Aufstieg des Eifelplumes und die anderen sublithosphärischen Triebkräfte der vertikalen Bewegung (wie kantengetriebene Konvektion oder Abkühlung und Akkretion des sublithosphärischen Mantels) sowie die Lithosphärendeformation eine dynamische Topographie an der Erdoberfläche in Mitteleuropa verursachen. Allerdings sind die jeweiligen Beiträge dieser Prozesse während des Känozoikums bisher noch umstritten.
In diesem Projekt werde ich die geodynamische Forschungssoftware ASPECT einsetzen, um auf lithosphärischer Skala die Reaktion der Oberfläche Mitteleuropas auf das Zusammentreffen von Plumes, kleinräumiger Konvektion und plattentektonischem Antrieb zu modellieren, und zu versuchen, die heutige Topographie in einzelne Komponenten zu zerlegen. Außerdem werde ich 3D-Modelle mit hoher Auflösung und komplexen Rheologien durchführen, um die möglichen Ursprünge des Eifel-Hotspots zu erklären und zu untersuchen, wie der Plume und die stagnierende Erdplatte miteinander interagieren.
Projektlaufzeit: 2022-2026
Zuwendungsgeber: China Scholarship Council
Doktorandin: Yingying Li
Betreuer: Bernhard Steinberger, Sascha Brune, Eline Le Breton
Monitoring Earth Evolution through Time (MEET)
Alexander Sobolev (IsTerre, Grenoble), Stephan Sobolev (GFZ Potsdam, Deutschland) und John Valley (University of Wisconsin, Madison, USA) haben einen ERC (European Research Council) Synergy Grant in Höhe von 12,8 Millionen Euro über sechs Jahre (2020-2026) erhalten, um die Entwicklung der chemischen Zusammensetzung der Erde und die zugrunde liegenden physikalischen Prozesse von vor 4,4 Milliarden Jahren bis heute in einem Projekt mit dem Titel "Monitoring Earth Evolution through Time" (MEET) zu untersuchen.
Projektlaufzeit: 2020-2026
Zuwendungsgeber: ERC Synergy Grant
Projektverantwortlicher: Stephan Sobolev
Projektmitarbeiter: Charitra Jain, Michael Pons
Kooperationen: Alexander Sobolev (ISTerre, Grenoble), John Valley (University of Wisconsin, Madison,USA), Jean Braun (GFZ), Georg Feulner (PIK), Sascha Brune (GFZ)
DT-Geo
Ein Digital Twin (Deutsch: "Digitaler Zwilling") für GEO-physikalische Extreme (DT-GEO) ist ein europäisches Projekt, das darauf abzielt, die Auswirkungen von Tsunamis, Erdbeben, Vulkanen und anthropogener Seismizität zu analysieren und vorherzusagen. Hauptziel von DT-GEO ist es, einen präoperativen Prototyp des Digital Twins zu entwickeln, der aus zwölf eigenständigen Zwillingskomponenten (DTCs) besteht, die sich mit spezifischen gefährlichen Phänomenen befassen, um sie später in die Initiative „Destination Earth“ zu integrieren. Die DTCs werden Echtzeitdatenströme und realitätsgetreue Modelle kombinieren, um präzise datengestützte Frühwarnung, Vorhersagen und Gefahrenabschätzungen über mehrere Zeitskalen hinweg durchzuführen. Vorgesehen ist auch die Integration von Projektressourcen und -ergebnissen in die Forschungsinfrastrukturen „European Plate Observing System“ (EPOS) und „HPC/virtuelles Cloud Computing“ (EuroHPC).
Sektion 2.5 befasst sich mit der Entwicklung der DT-GEO Zwillingskomponente DTC-T1, die den Arbeitsablauf der neuartigen Tsunami-Vorhersagemethode Probabilistic Tsunami Forecasting (PTF) implementiert. Der Arbeitsablauf ist für den Einsatz in Tsunami-Frühwarnzentren vorgesehen. Er liefert Wahrscheinlichkeiten für das Überschreiten bestimmter Tsunami-Intensitäten an bestimmten Küstenstandorten. PTF führt eine Datenassimilation von (fast) Echtzeit-Erdbeben- und Tsunami-Beobachtungen in den Tsunami-Simulations-Workflow durch, der mit Gruppen von vorberechneten oder "on-the-fly" simulierten Tsunami-Ausbreitungsszenarien arbeitet.
Projektlaufzeit: 2022 - 2025
Zuwendungsgeber: Horizon Europe under the grant agreement No 101058129.
Projektverantwortlicher: Andrey Babeyko
Modellierung der Hebung des Erdmantels während Rifting- und Beckeninversion: Auswirkungen für die Exploration von für natürlichem Wasserstoff
Bei den laufenden Bemühungen um die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Ressourcen und Energieerzeugung wurde das Potenzial des natürlich vorkommenden Wasserstoffs, der durch die Alteration (Serpentinisierung) von tektonisch freigesetztem Mantelgestein entsteht, bislang weitgehend übersehen. Die Hebung von Mantelmaterial kann während des Riftings und des Zerbrechens von Kontinenten, aber auch während der Gebirgsbildungsphasen erfolgen. Um die Möglichkeiten der natürlichen Wasserstoffgewinnung besser einschätzen zu können, müssen wir unser Verständnis der tektonischen Prozesse verbessern, die zu der Anhebung von Mantelgestein führen.
Dieses Projekt sieht den Einsatz numerisch-tektonischer Modellierungstechniken vor, um die Prozesse der Mantelanhebung unter Berücksichtigung des Einflusses der strukturell ererbten Schwächezonen, Druck- und Temperaturentwicklung des freigesetzten Mantelmaterials im Laufe der Zeit sowie die Bedeutung von Oberflächenprozessen und das Vorhandensein von Reservoiren zu entschlüsseln. Anschließend sollen diese Modellierungsergebnisse zur Interpretation der tektonischen Geschichte verschiedener Regionen (z. B. Pyrenäen, Offshore-Iberien, europäische Alpen) herangezogen werden, um die Realisierung der natürlichen Wasserstoffgewinnung in diesen Gebieten zu bewerten.
Projektzeitraum: 2022 - 2025
Zuwendungsgeber: GFZ Discovery Fund Fellowhsip
Projektverantwortlicher: Frank Zwaan
Projektmitarbeiter: Sascha Brune, Claudio Facenna, Ingo Sass, Cornelia Schmidt-Hattenberger, Peter Pilz
Modellierung von Geoidanomalien durch Mantelkonvektion
Das Rossmeer-Geoidtief (RSGL) ist ein sehr aufälliges Bestandteil im globalen Geoidmuster. Trotz einiger früherer Studien über den Ursprung des RSGL (Spasojevic et al., Nature Geoscience, 3, 435-438, 2010; Sutherland et al., Geology, 38, 155-158, 2010) und starker Hinweise darauf, dass es einen Auftrieb von heißem Material im oberen Erdmantel unter der Westantarktis gibt, bleibt unklar, wodurch es verursacht wird.
Ich werde numerische Simulationen verwenden, um die durch Mantelkonvektion verursachten Geoidanomalien zu modellieren, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Rossmeer, unter der Leitung von Dr. Bernhard Steinberger. Außerdem werden wir versuchen, eine heutige Dichtestruktur zu konstruieren, die geeignet ist, die durch Mantelkonvektion in diesem Gebiet verursachte Geoid- und dynamische Topographie zu erklären, und die sowohl mit geodynamischen Vorwärtsrechnungen als auch mit seismischer Tomographie konsistent ist. Durch den Vergleich von modellierten Geoidanomalien und Beobachtungen werden wir die Zuverlässigkeit unserer Ergebnisse bewerten und eine Erklärung für den Ursprung von RSGL liefern.
Projektlaufzeit: 2023-2024
Zuwendungsgeber: China Scholarship Council
Projektverantwortliche: Ronghua Cui
Tiefenstruktur und geodynamische Entwicklung des Südchinesischen Meeres
Wie an vielen passiven Rändern der Welt, ist auch im Südchinesischen Meer (SCS) eine komplexe tektonische Geschichte zu beobachten. Dazu gehören die Lokalisierung des Rifts, die Ausdünnung der Lithosphäre, das Auseinanderbrechen des Kontinents und die Ausbreitung des Meeresbodens. Offensichtlich wurde die tektonische Geschichte des Südchinesischen Meeres durch regionale Schlüsselfaktoren wie mesozoische Strukturen und das ursprüngliche thermische Regime einer Gebirgs-Umgebung beeinflusst. Eine kürzlich durchgeführte IODP Expedition lieferte überzeugende Beweise dafür, dass die üblichen Endszenarien von magmareichen oder magmaarmen gerifteten Kontinentalrändern für das SCS nicht zutreffen. Basierend auf den aktuellen Forschungsergebnissen beschäftigt sich dieses Projekt mit der Frage, wie ererbte Strukturen zur tektonischen Entwicklung und Gestaltung der SCS-Grabenränder beigetragen haben. Dabei werden modernste numerische Modellierungstechniken, sowie skalenübergreifende geodynamische und thermische Untersuchungen der SCS angewendet.
Projektzeitraum : 2021-2024
Zuwendungsgeber : China Scholarship Council (CSC)
Doktorand: Kai Li
Betreuer: Sascha Brune, Frederik Tilmann
Einblicke in die Dynamik der großen Regionen mit niedriger Schergeschwindigkeitsprovinzen anhand der Scherwellenanisotropie des untersten Erdmantels
Dieses Projekt verfolgt das Ziel, die Dynamik der großen Regionen mit niedrigen Schergeschwindigkeiten (LLSVPs), ihr Deformationsmuster und ihre Zusammensetzung mit Hilfe der Scherwellenanisotropie des untersten Erdmantels einzugrenzen. Der unterste Erdmantel, insbesondere die D"-Schicht, ist sehr schwer zu erforschen, da es in dieser großen Tiefe nur wenige seismische Beobachtungen gibt. Die beiden LLSVPs in der D"-Schicht weisen im Unterschied zu dem umgebenden Erdmantel charakteristische physikalisch-chemische Eigenschaften auf.
Obwohl die Plumes von diesen Strukturen entstammen, ist die Zusammensetzung jedoch nicht identisch. Mit Hilfe numerischer 3D-Modellierung der Mantelkonvektion werde ich die seismische Anisotropie modellieren, die durch verschiedene Deformationsmechanismen im unteren Erdmantel entsteht und sie mit den Beobachtungen vergleichen. Die Deformationsmechanismen und das Fließmuster werden uns Aufschluss über die rheologischen Eigenschaften und die Dichtestruktur der LLSVPs geben. Darüber hinaus werde ich auch versuchen, die geochemische Zusammensetzung der D"-Schicht mit Schwerpunkt auf LLSVPs zu untersuchen.
Projektlaufzeit : 2021-2024
Zuwendungsgeber :DAAD
Doktorandin: Poulami Roy
Betreuer: Bernhard Steinberger, Sascha Brune
Ausbreitung und Verbindung von Grabenbrüchen in Zentral Afar, Ostafrika
Das Ostafrikanische Grabensystem umfasst eine Vielzahl von Grabenbrüchen, darunter das „unreife“ Malawi-Rift im Süden und das stark ausgedehnte, seismisch und vulkanisch aktive Afar-Rift im Norden. Das Afar-Rift bietet eine hervorragende Gelegenheit, das Auseinanderbrechen der Kontinente und die Bildung von Zentren der Meeresbodenspreizung an Land zu untersuchen. Die Öffnung des Afar-Rifts begann vor ∼30 Millionen Jahren (Myr), begünstigt durch den Afar-Plume und die Trennung Arabiens von Afrika sowie später durch die Rotation der Danakil- und Ali-Sabeh-Blöcke um ∼7 Myr. Eine bedeutsame Riftbildung und -ausbreitung im zentralen Afar fand um etwa 4 Myr statt.
Die quartäre bis rezente Öffnung des Afar-Grabens findet hauptsächlich in den Segmenten Dabbahu-Manda Harraro an der Spitze des Roten Meer Rifts und dem Asal-Ghobbet Segment das zum Golf von Aden gehört statt. Wie die beiden Riftsegmente miteinander interagieren, ist jedoch nach wie vor rätselhaft. In den letzten Jahren wurden mehrere gegensätzliche Modelle zur Erklärung der Ausbreitung und Verbindung von Grabenbrüchen in der Afar Region diskutiert. Die Abweichung zwischen diesen Modellen könnte auf die unterschiedlichen Zeitskalen der Beobachtungen zurückzuführen sein. Hier versuchen wir, GPS-Beobachtungen und numerische geodynamische Modelle mit paläomagnetischen und Erdbebendaten zu kombinieren, um Rift-Interaktion im zentralen Afar über die verschiedenen Zeitskalen hinweg vollständig zu verstehen.
Projektzeitraum: 2021 − 2024
Zuwendungsgeber: Alexander von Humboldt Foundation
Projektverantwortlicher: Ameha A.Muluneh
Projektmitarbeiter: Sascha Brune, Derek Keir (University of Southampton, UK), Giacomo Corti (National Research Council of Italy, Italy), Carolina Pagli (University of Pisa, Italy), Tesfaye Kidane (University of Kwazulu Natal, South Africa)