Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Sektion 1.3: Erdsystem-Modellierung

Die vielfältigen geodätischen und geophysikalischen Messungen von Satelliten, Flugzeugen und vom Erdboden aus enthalten umfangreiche Informationen über das System Erde. Sie sind aber lediglich eine Momentaufnahme des dynamischen Zustandes unseres Planeten. Weil diese Messungen stets die Wirkung vieler verschiedener, gleichzeitig ablaufender Prozesse wiedergeben, sind zu ihrer Interpretation Verfahren aus Theorie und Modellbildung notwendig. Dies ist der Schwerpunkt der Arbeit in der Sektion 1.3. Wir konzentrieren uns auf die Modellierung von Massen-, Impuls- und Energietransportprozessen im Erdsystem. Dazu gehören die Simulation der statischen und zeitvariablen Erdschwere- und Magnetfelder, der Deformationen der Erdoberfläche, der Änderungen des Meeresspiegels und der Schwankungen der Erdrotation.

Viele dynamische Vorgänge haben einen Einfluss auf die mit geodätischen Verfahren messbaren Größen wie Erdfigur, Gravitationsfeld und die Orientierung der Erde im Raum. Die Ursachen dieser Variationen finden sich in allen Teilen des Systems Erde, von der hohen Atmosphäre bis in den Erdkern. Mit numerischen Simulationen versuchen wir nicht nur, diese Einflüsse zu identifizieren. Wir ziehen auch aus konkret gemessenen Änderungen Rückschlüsse auf die dynamischen Vorgänge. Dazu modellieren wir beispielsweise, wie sich Veränderungen in den großräumigen Windsystemen der Atmosphäre, in den Strömungen der Ozeane aber auch in den Wasservorkommen auf den Kontinenten auf die Erddrehung auswirken. Wir untersuchen, wie die Erdkruste viskoelastisch auf Änderungen kontinentaler Eismassen und die daraus folgenden Schwankungen des Meeresspiegels reagiert. Eine solche glazial isostatische Anpassung auf den verminderten Druck des Eises lässt sich im Unterschied zu kurzfristigen elastischen Verformungen noch Jahrtausende nach dem Rückzug des Eises messen. Außerdem modellieren wir, wie Variationen und Kopplungen der Konvektionsströme im Erdmantel und im äußeren Erdkern zu den bekannten dekadischen Schwankungen der Erdrotation führen.

Unsere Forschung gliedert sich in fünf Themengebiete

Wir entwickeln und nutzen numerische Verfahren basierend auf den grundlegenden Prinzipien der geophysikalischen Fluiddynamik zur Analyse und Interpretation von geodätischen und geophysikalischen Beobachtungsdaten als Beitrag zu einem vertieften Verständnis des Systems Erde. Kern unserer Arbeiten sind globale Ozeanzirkulationsmodelle in globalen oder regionalen Konfigurationen welche Prozesse wie ozeanische Gezeiten, Auflast- und Selbstanziehungsrückkopplungen in die Zirkulationsdynamik, oder atmosphärische Luftdruckeffekte in Ergänzung zu den üblicherweise berücksichtigten atmosphärischen Antriebsdaten abbilden. Wir nutzen auch Modelle des kontinentalen Wasserkreislaufs, welche den vertikalen Wasser- und Energieaustausch mit der Atmosphäre sowie laterale Transporte im Boden und den Oberflächengewässern simulieren.

In diesem Themenfeld konzentrieren wir uns auf die gemeinsame Analyse von Schwere-, seismischen und anderen geophysikalischen, geodätischen und geologischen Daten mit dem Ziel, umfassende Modelle der Lithosphäre und des darunter liegenden Mantels zu erstellen, sowie eine Verknüpfung dieser Modelle mit aktuellen tektonischen und geodynamischen Prozessen zu etablieren.

Hier nutzen wir Beobachtungsdaten und numerische Simulationen, um die Dynamik der beiden großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis sowohl in der Vergangenheit zu verstehen als auch für die Zukunft vorauszusagen. Besonders interessant ist hierbei die Bilanz der Eismassen, da diese einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des globalen Meeresspiegels hat. Interaktionen der Eisschilde mit dem Ozean, der Atmosphäre und der festen Erde spielen hierbei eine wichtige Rolle.

In diesem Themengebiet befassen wir uns mit der Reaktion der festen Erde auf Massenumverteilungen an ihrer Oberfläche in Hinblick auf geodätische und geophysikalische Fragestellungen wie Klima-, Ozean- und Eisdynamik. Im Fokus liegt dabei die numerische Modellierung von instantanen Prozessen bis hin zu langzeitlichen Prozessen von 10.000 Jahren und mehr.

In diesem Themenfeld werden Beobachtungen und numerische Modelle des Erdsystems auf systematische Art und Weise kombiniert. So werden z.B. Beobachtungen unter Einhaltung modellierter physikalischer Gesetzmäßigkeiten räumlich sowie zeitlich interpoliert, modellierte aber direkt unbeobachtete Größen werden bestimmt und numerische Modelle werden mithilfe der Beobachtungen reinitialisiert, um bessere Vorhersagen zu treffen. Des Weiteren kann mithilfe der Datenassimilation die Kausalkette innerhalb eines modellierten Systems zurückverfolgt werden,  um so mögliche Ursachen für beobachtete Veränderungen aufzuspüren. Somit ist ein weiterer wichtiger Aspekt innerhalb der Arbeitsgruppe das Aufzeigen von Zusammenhängen und Sensitivitäten zwischen prinzipiell gut und prinzipiell schwer beobachtbaren Größen mit dem Ziel Letztere aus Ersteren abzuleiten. In diesen Bereich gehört auch die Abschätzung und Optimierung des zu erwartenden Informationsgewinnes zukünftiger Beobachtungsmissionen.

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