Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Dynamik der Eisschilde

Hier nutzen wir Beobachtungsdaten und numerische Simulationen um die Dynamik der beiden großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis sowohl in der Vergangenheit zu verstehen als auch für die Zukunft vorauszusagen. Besonders interessant ist hierbei die Bilanz der Eismassen, da diese einen unmitelbaren Einfluss auf die Höhe des globalen Meeresspiegels hat. Interaktionen der Eisschilde mit dem Ozean, der Atmosphäre und der festen Erde spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Die Kryosphäre ist ein wichtiger Teil des globalen Klimasystems und umfasst die Bereiche der Erdoberfläche, wo Wasser in seiner festen Form vorliegt, gefroren zu Schnee oder Eis. Elemente der Kryosphäre finden sich auf allen Breitengraden und umfassen Gletscher, Eiskappen und Eisschilde sowie gefrorene Seen und Flüsse, Meereis, Schnee und Permafrostboden. Die Kryosphäre steht über viele Prozesse mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung. Sie beeinflusst lokale Feuchtigkeitsflüsse, Niederschläge und die Hydrologie sowie auch globale atmosphärische und ozeanische Strömungen. Insbesondere die hohe Albedo (Rückstrahlvermögen) schneebedeckter Gebiete hat einen großen Einfluss auf die Strahlungsbilanz der Erdoberfläche. Darüber hinaus speichern die Komponenten der Kryosphäre große Mengen an Süßwasser. Das Eisvolumen der polaren Eisschilde in Grönland und der Antarktis hat unter dem Einfluss des Klimawandels das Potential, den globalen Meeresspiegel innerhalb der nächsten Jahrhunderte um mehrere Meter anzuheben.

 

Der Antarktische Eisschild befindet sich auf einer kontinentalen Landmasse am Südpol und umfasst eine Fläche von fast 14 Millionen Quadratkilometern. Er wird in die Antarktische Halbinsel sowie den West- und den Ostantarktischen Eisschild unterteilt, welche durch die Gebirgskette des Transantarktischen Gebirges getrennt sind. Fast die Hälfte der antarktischen Küstenlinie ist gesäumt durch Schelfeise, die schwimmenden Ausläufer des gegründeten Eischildes. Die mittlere Eisdicke des Antarktischen Eischildes beträgt 2160 Meter, wobei die Eisdicke lokal jedoch bis zu 4776 Metern erreicht. Das gesamte Eisvolumen des Antarktischen Eischildes hat ein globales Meeresspiegeläquivalent von ungefähr 58 Metern. Die Entwicklung des Eisschildes ist bestimmt durch seine Massenbilanz: jedes Ungleichgewicht der Balance zwischen Massengewinn und -verlust führt entweder zu einem Anwachsen oder einer Verringerung der Eismasse und damit zu einer Änderung des globalen Meeresspiegels.

Der Antarktische Eisschild gewinnt an Masse durch die oberflächliche Akkumulation von Schnee, welcher sich unter zunehmender Auflast mit der Zeit zu Eis verdichtet. Dieses fließt unter dem Einfluß der Gravitation durch interne Deformation und basales Gleiten aus dem Inneren des Antarktischen Eisschildes an seine äußeren Grenzen. Der Fluss folgt dabei dem Gradienten der Eisoberfläche und erreicht im Inneren der Antarktis Geschwindigkeiten von wenigen Zentimetern bis Metern im Jahr. Zum äußeren Rand der Antarktis hin nimmt die Fließgeschwindigkeit stetig zu und die Dynamik wird durch schnell fließende Eisströme dominiert, welche mit Geschwindigkeiten von mehreren Hundert Metern pro Jahr große Mengen an Eis zur Küstenlinie oder in angrenzende schwimmende Schelfeise transportieren. Dort finden zu ungefähr gleichen Anteilen die folgenden zwei Prozesse statt: An Gletscherfronten und Schelfeiskanten brechen große Eisstücke ab (kalben) und treiben dann als Eisberge im Meer, wo sie letztendlich schmelzen. Gleichzeitig verlieren die Schelfeise an Ihrer Unterseite Masse, da das Eis dort durch den Kontakt mit dem wärmeren Ozeanwasser schmilzt. Im Vergleich dazu schmilzt nur eine verschwindend kleine Menge von Eis an der Eisoberfläche (nur auf der Antarktischen Halbinsel) und an der Basis des gegründeten Eisschildes durch Druck und Geothermie.

SICOPOLIS (SImulation COde for POLythermal Ice Sheets) ist ein 3D dynamisches/thermodynamisches Eismodell, das die Entwicklung großer Eisschilde und Eiskappen simuliert. Es wird seit 1997 kontinuierlich weiterentwickelt und für Simulationen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Grönländischen und Antarktischen Eisschildes sowie der gesamten nördlichen Hemisphäre und den polaren Eiskappen des Mars angewendet.

RIMBAY ist ein modulares, thermomechanisches Eisschild-Schelfeis Modell, welches sowohl "shallow" und "shallow hybrid" Näherungen als auch Lösungen höherer Ordnung für die Berechnung der Eisgeschwindigkeit beinhaltet. Weiterhin bietet es u. a. ein 3D Migrationsschema für die Dynamik der Aufsetzlinie, subglaziale Hydrologie Module und verschiedene Schnittstellen zur Kopplung an Ozean und Atmosphäre. RIMBAY kann für die Simulation der Dynamik von einzelnen Gletschern bis hin zu kontinentalen Eisschilden wie Grönland und Antarktis verwendet werden.

PISM (Parallel Ice Sheet Model) ist ein quelloffenes, parallelisiertes Eismodell und kann dadurch auch kontinentale Eisschilde in hoher Auflösung simulieren. Das Programm wird seit 2011 weltweit von vielen Forschungsgruppen verwendet und umfasst u. a. Erweiterungen zur Kopplung an Ozean und Atmosphäre, "shallow hybrid" Näherungen, subglaziale Hydrologie- und Basalmoränen- Module und bietet parallelisierte Simulationen mit MPI und PETSc.

Referenzen:

Bernales, J., Rogozhina, I., Greve, R., Thomas, M. (2017): Comparison of hybrid schemes for the combination of Shallow Approximations in numerical simultions of the Antarctic Ice Sheet. - The Cryosphere, 11, pp. 247-265. doi.org/10.5194/tc-2016-117 GFZPublic

Eisschild - Ozeandynamik

Schelfeise sind an ihrer Unterseite in direktem Kontakt mit dem Wasser des Ozeans. Die Temperatur und Zirkulation des Wassers in der Schelfeiskaverne bestimmen die basalen Schmelzraten. Sie beeinflussen die Dicke des Schelfeises und damit die Position der Aufsetzlinie des Eises, welche einen großen Einfluss auf die Dynamik des angrenzenden gegründeten Eisschildes, seine Massenbilanz und damit die Höhe des globalen Meeresspiegels hat. Andererseits hat die Form der Schelfeiskaverne und die Postion der Aufsetzlinie ebenso wie die Menge des durch Schmelzen eingebrachten Süßwassers einen entscheidenen Einfluss auf die Zirkulation des Ozeans unter dem Schelfeis.

Publikationen:

Timmermann, R. and Goeller, S. (2017): Response to Filchner-Ronne Ice Shelf cavity warming in a coupled ocean-ice model. Part I: The ocean perspective, Ocean Science 13: 765-776

Thomas, M., Determann, J.; Grosfeld, K. Hellmer, H. and Goeller, S. (2015): Future sea-level rise due to projected ocean warming beneath the Filchner Ronne Ice Shelf: A coupled model study, Earth and Planetary Science Letters, 431: 217-224.

Bernales, J., Rogozhina, I., Thomas, M. (2017): Melting and freezing under Antarctic ice shelves from a combination of ice-sheet modelling and observations. - Journal of Glaciology, 63, 240, pp. 731-744. doi.1017/jog.2017.42 GFZPublic

Eisschild - Meeresspiegel

Eisschilde speichern große Mengen an Süßwasser. Jede Veränderung der Massenbilanz eines Eisschildes führt somit zu einer Veränderung des globalen Meeresspiegels. Ein Anstieg des Meeresspiegels führt z. B. zum Aufschwimmen von bisher auf dem Grund aufliegendem Eis. Damit verschiebt sich die Aufsetzlinie, die die Grenze zwischen Schelfeis und gegründetem Eis darstellt und ein Schlüsselparameter für die Eisschild-Schelfeis-Dynamik ist. Der Meeresspiegel ist also ein globaler Kopplungsmechanismus, da z. B. Abschmelzprozesse auf der nördlichen Hemisphäre einen globalen Meeresspiegelanstieg bewirken und so die Dynamik des Antarktischen Eisschildes beeinflussen. Desweiteren verursachen Eismassenänderungen Defomationen der Erdoberfläche und Änderungen des Geoids. Sie führen so zu lokalen Meeresspiegelschwankungen, welche ebenso die Eisdynamik an der Aufsetzlinie beeinflussen.

Publikationen:

Klemann, V., Heim, B., Bauch, H. A., Wetterich, S. and Opel, S. (2015) Sea-level evolution of the Laptev Sea and the East Siberian Sea since the last glacial maximum, arktos, 1 (1): 1-8

Konrad, H., Sasgen, I., Klemann, V., Thomas, M., Grosfeld, K., Martinex, Z. (2016): Sensitivity of Grounding-Line Dynamics to Viscoelastic Deformation of the Solid-Earth in an Idealized Scenario. Polarforschung, 85, 2, pp. 89-99. DOI: doi.org/10.2312/polfor.2016.005 GFZPublic

Derzeitige Projekte:

PalMod

Eisschild - Lithosphäre I

Die glazial isostatische Anpassung (GIA) beschreibt, wie die Erde auf eine durch Eisschilde verursachte Belastung reagiert. Die noch heute andauernde Anpassung des Erdkörpers an die Umverteilung von Eis- und Wassermassen nach der letzten Eiszeit äußert sich in einer Reihe von Phänomenen, die untersucht werden, um die Ausdehnung und Mächtigkeit der früheren Eismassen abzuschätzen, den Meeresspeigel über einen glazialen Zyklus zu rekonstruieren sowie die rheologischen Eigenschaften der Erde, im Wesentlichen ihre Viskositätsstruktur, zu bestimmen.

Eisschild - Lithosphäre II

Der geothermale Wärmefluss zwischen fester Erde und Eisschildbasis beeinflusst die Temperatur des Eises und damit seine Viskosität. Eine bei höheren Temperaturen niedrigere Viskosität führt dazu, dass sich das Eis unter dem Einfluss der Gravitation leichter verformt, was eine erhöhte Fließgeschwindigkeit des Eises zur Folge hat. Bei niedrigeren Temperaturen hat das Eis eine höhere Viskosität. Es wird damit steifer und fließt langsamer durch interne Deformation. Ist der Wärmefluss an der Eisbasis hoch genug, kann auch basales Schmelzen auftreten. Dann ist der Eisschild nicht mehr an seinem Untergrund festgefroren sondern kann auf ihm gleiten. Dieses basale Schmelzwasser kann z. B. unter dem Antarktischen Eisschild große Strecken zurücklegen und bildet dabei dünne Wasserschichten, Flüsse und auch große Seen. Auch das erhöht die Fließgeschwindigkeit des Eises, welche als Summe aus basalem Gleiten und interner Deformation aufgefasst wird.

Publikationen:

Goeller, S., Steinhage, D., Thomas, M. and Grosfeld, K. (2016): Assessing the subglacial lake coverage of Antarctica, Annals of Glaciology, 57(72): 109 - 117

Rogozhina, I., Petrunin, A. G., Vaughan, A. P. M., Steinberger, B., Johnson, J. V., Kaban, M. K., Calov, R., Rickers, F. Thomas, M., Koulakov, I. (2016): Melting at the base of the Greenland Ice Sheet explained by Iceland hotspot history. - Nature Geoscience, 9, pp. 366-369. DOI: doi.org/10.1038/ngeo2689 GFZPublic

Eisschild - Atmosphäre

Die Albedo einer Oberfläche beeinflusst ihre Strahlungsbilanz und so die dortige Temperatur. Während sauberer, weißer Schnee (z. B. Antarktischer Eisschild) fast die gesamte einfallende Strahlung reflektiert, absorbiert blankes Eis (z. B. Alpengletscher im Sommer) oder mit Staub bedeckte Firnoberflächen (z. B. Rand des Grönländischen Eisschildes) wesentlich mehr der einfallenden Strahlungsenergie, was zu einem Anstieg der Oberlfächentemperatur und zum Schmelzen führen kann. Die Temperatur an der Eisoberfläche beeinflusst ebenfalls die Temperatur tiefer liegender Eisschichten und somit ihre Viskosität, welche ausschlaggebend für die Verformbarkeit des Eises und damit die Fließgeschwindigkeit ist. Feuchtigkeitsflüsse an der Eisoberseite beeinflussen die Dynamik der Atmosphäre, welche rückwirkend durch die Menge des Niederschlages maßgeblich an der Massenbilanz eines Eisschildes beteiligt ist.

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