Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Archiv Highlights 2016


Gradual caldera collapse at Bárdarbunga volcano, Iceland, regulated by lateral magma outflow

Gudmundsson, M. T., K. Jónsdóttir, A. Hooper, E. P. Holohan, S. A. Halldórsson, B. G. Ófeigsson, S. Cesca, K. S. Vogfjörd, F. Sigmundsson, T. Högnadóttir, P. Einarsson., O. Sigmarsson, A. H. Jarosch, K. Jónasson, E. Magnússon, S. Hreinsdóttir, M. Bagnardi, M. M. Parks, V. Hjörleifsdóttir, F. Pálsson, T. R. Walter, M.P.J. Schöpfer, S. Heimann, H. I. Reynolds, S. Dumont, E. Bali, G. H. Gudfinnsson, T. Dahm, M. Roberts, M. Hensch, J.M.C. Belart, K., Spaans, S. Jakobsson, G. B. Gudmundsson, H. M. Fridriksdóttir, V. Drouin, T. Dürig, G. Adalgeirsdóttir, M. S. Riishuus, G. B.M. Pedersen, T. van Boeckel, B. Oddsson, M. A. Pfeffer, S. Barsotti, B. Bergsson, A. Donovan, M. R. Burton, A. Aiuppa (2016)

Die Bárdarbunga Kaldera in Zentral-Island stürzte von August 2014 bis Februar 2015 während des größten Ausbruchs in Europa seit 1784 ein. An der Oberfläche des überliegenden Gletschers entstand ein Absenkbecken mit einer Fläche von 110 km2 und bis zu 65 Metern Tiefe, während Magma seitlich entlang eines unterirdischen Gangs 48 km floss und als Hauptlavastrom nordöstlich des Vulkans an die Oberfläche kam. Die Auswertung der Daten liefert einen beispiellosen Einblick in die Funktionsweise einer kollabierenden Kaldera.
Zusammenbrüche von Kaldera Vulkanen sind glücklicherweise nicht sehr häufig, weil sie oft mit sehr großen Vulkanausbrüchen verbunden sind. Auf der anderen Seite begrenzt das seltene Vorkommen von Kaldera-Einstürzen unsere Sicht auf diese große geologische Gefährdung. Seit der Bildung der Katmai-Kaldera im Jahre 1912, während des größten Ausbruchs des 20. Jahrhunderts, sind nur fünf Kaldera-Einstürze vor dem Bárdarbunga Einsturz bekannt.
In der Arbeit wurden Höhenmessungen, Satelliten-GPS, Seismizitätsmuster, Radioecholotung der Eisdicke, Eisflussmodelle und Geobarometrie miteinander kombiniert, um die entstehende Senkungsgeometrie zu beschreiben. Wir konnten die zugrunde liegende Ursache, die Menge des ausgestoßenen Magmas, die Geometrie der unterirdischen Kaldera-Ringstörungen und die Herdlösungen der durch den Einsturz verursachten Erdbeben beschreiben und interpretieren.
Nach unseren Ergebnissen wurden bereits zwischen dem 20.-24. August 2014 die ersten Ringstörungen unter dem Vulkan reaktiviert und markierten den bevorstehenden Zusammenbruch der Kaldera. Die Senkung der Kaldera war zu Beginn der Krise am größten, nahm dann aber mit der Zeit exponentiell ab, im Einklang mit der Lavaflußrate in 48 Kilometer Entfernung. 
Hochgenaue Erdbebenlokalisierungen und Momenten-Tensor-Analysen der bemerkenswerten Erdbebenserien mit Magnituden größer Mw 5 stimmen mit steil eintauchenden Ringstörungen überein. Die statistische Analyse der Seismizität bestätigt die Kommunikation über viele Kilometer zwischen der Kaldera und dem magmatischen Gang. Das Magma-Reservoir selbst lag danach in etwa 12 Kilometer Tiefe unter dem Bereich der größten Absenkung, in Übereinstimmung mit geobarimetrischen und geodätischen Modellierungen.

| Science, 353, 6296, | doi:10.1126/science.aaf8988 |


The Mw 8.1 2014 Iquique, Chile, seismic sequence: a tale of foreshocks and aftershocks

Cesca, S., Grigoli F., Heimann F., Dahm T., Kriegerowski, M., Sobiesiak M., Tassara C., Olcay M. (2016)

Das Magnitude Mw 8.1 Iquique (Chile) Erdbeben vom 1. April 2014 ereignete sich vor der Küste Nordchiles im Bereich einer sogenannten seismischen Lücke. Die berechnete  Bruchlänge von weniger als 200 km hat aber nur einen kleinen Teil des Plattenrand-Segments der seismischen Lücke geschlossen. Die bisherigen Studien zum Bruchprozess des Iquique Bebens konnten die Fragen zur  Rolle einer aseismischen Verschiebung vor und nach dem Bruch und über die bleibende Gefahr der nordchilenischen Lücke nicht klar beantworten. Bemerkenswert bei dem Beben von 2014 war die Beobachtung einer umfangreichen Vorbereitungsphase mit mehr als 1300 Erdbeben mit Magnituden ML>3, die während der 15 Monate vor dem Hauptbeben auftraten. Besonders in den letzten drei Wochen vor dem Hauptbeben haben Seismizität und beobachtete Spitzenmagnituden stark zugenommen. Dank der großen Datenmengen von regionalen seismischen Aufzeichnungen konnten wir in dieser Arbeit die Vorläufer-Aktivität in der vorbereitenden Phase und die  Vor- und Nachbeben modellieren und vergleichen.

Für den Zeitraum zwischen 1.1.2013 – 30.4.2014 wurden für mehr als 300 Ereignisse mit Mw 4.0 - 8.1 Momententensoren bestimmt. Die meisten Momenten-Tensoren entsprechen fast reinen Scherbrüchen passend zur Plattenausrichtung. Dieser einzigartige Datensatz von Vor- und Nachbeben wurde benutzt, um Modelle für die Rotation der Spannungen während des Erdbebens zu rekonstruieren. Während für Aufschiebungen weder bei Vor- und Nachbeben signifikante Unterschiede beobachtet werden, ist die frühe Nachbebenfolge durch das Vorhandensein normaler Störungen gekennzeichnet, die parallel zum Graben auftreten, aber nach Westen abtauchen. Diese Ereignisse traten wahrscheinlich in der flachen Keilstruktur nahe der Plattenschnittstelle auf. 

Das Ergebnis deutet auf eine insgesamt nur geringere Spannungsrotation während des Hauptbebens hin, trotz eines signifikanten Abbaus von Scherspannungen auf der Bruchfläche. Unter diesen Umständen bliebe das Potenzial eines großen Megathrust-Erdbebens vor der Küste Nordchiles weiterhin hoch.

| Geophys. J. Int., 204, 3, 1766-1780, | doi: 10.1093/gji/ggv544. | pdf |


On the mechanisms governing dike arrest: Insight from the 2000 Miyakejima dike injection

Maccaferri, F., Rivalta, E., Passarelli, L., Aoki, Y. (2016)

Vulkanausbrüche, besonders bei basaltischen Vulkanen, treten auf, wenn Magmagaenge aus einer Magma-Kammer freigegeben werden und die Erdoberfläche reichen. Solche Magmagaenge können sich mehrere Dutzend Kilometer von dem Vulkan seitlich verbreiten, durch seitliche Spannungsgradienten und Magma-Kammer-Überdruck gedrückt. Welche Faktoren tragen dazu bei, eine Magmagangsausbreitungs zu hemmen und was ist der relative Beitrag der verschiedenen Faktoren? Hier werten wir die Faktoren aus, die zur Hemmung des 2000 dike am Miyakejima Vulkan in Japan beigetragen haben. Es ergibt sich, dass topografische Gradienten eine große Rolle gespielt haben, aber der dominierende Faktor war weiterhin Verschiebung oder Kriechen eines bereits bestehenden Verwerfungssystems, an dass sich der Magmagang während Ausbreitung näherte. Unsere mechanischen Modelle zeigen, wie das Zusammenspiel von Magmagaenge und Verwerfungen Magmaausbreitung beeinflusst. Das Modell kann dazu beitragen, die Anordnung von Rift-Transform-Systeme auf Mid Ocean Ridges zu verstehen.

| Earth Planet. Sci. Lett., 434, 64–74, | doi.org/10.1016/j.epsl.2015.11.024 |


Sekundäre Verwerfungsaktivität der Nordanatolischen Verwerfung nahe Avcilar, südwestlich von Istanbul: Nachweis aus SAR interferometrischen Beobachtungen

Faqi Diao, Thomas R. Walter, Federico Minati, Rongjiang Wang, Mario Costantini, Semih Ergintav, Xiong Xiong and Pau Prats-Iraola (2016).

Verwerfungen mit horizontaler Verschiebung, wie z.B., die San-Andreas (USA) oder die Nordanatolische Verwerfung (Türkei), können in einigen Fällen über tausende Kilometer verfolgt werden. Eine nähere Beobachtung von solchen kontinental-skaligen Verwerfungen enthüllt lokale Komplexitäten in der Verwerfungsgeometrie, die mit einer Segmentierung der Verwerfung, sekundären Störungen und damit mit einer Änderung der zusammenhängenden Gefährdung verknüpft sind. Die Nordanatolische Verwerfung zeigt solche Komplexität in der Nähe der Mega-City Istanbul. In diesem Bereich ist das Erdbebenrisiko hoch eingeschätzt, jedoch sind die sekundären Prozesse nicht gut verstanden. In diesem Artikel wird eine langzeitige PSI (persistent scatterer interferometry) Analyse von SAR (Synthetic Aperture Radar) Zeitreihen benutzt, um Oberflächendeformationsmuster, die mit dem Störungskomplexität im Bereich des prominenten Bogens der Nordanatolischen Verwerfung nahe der Stadt Istanbul zusammenhängen, präziser zu identifizieren. Hierbei ermitteln wir die Relevanz der lokalen Störungsaktivität und schätzen den Störungsstatus (Verschiebungsrate und  Blockierungstiefe) zum ersten Mal mit der Satelliten SAR Technologie ab. Die an Land zur Untersuchung stehende NW-SE orientierte Störung unterliegt einer durchschnittlichen Blattverschiebungsrate von 5.0 mm pro Jahr sowie einer relativ flachen Blockierungstiefe von weniger als 1.0 km. Sie  scheint mit dem Hauptverwerfungszweig direkt in Wechselwirkung  zu stehen, was wiederum für die tektonische Kopplung von Bedeutung ist. Unsere Ergebnisse liefern den ersten geodätischen Nachweis über eine Segmentierung der Hauptkrustenverwerfung mit einer strukturellen Komplexität und den damit assoziierten Multi-Gefahren im Nahbereich der dichtbesiedelten Regionen von Istanbul, und mit Ähnlichkeiten zu anderen großen tektonischen Verwerfungen, die ebenfalls Änderungen in ihrem Verlauf und Mechanismus zeigen.

| Remote Sens. , 8(10), 846; | doi:10.3390/rs8100846 | pdf |


Das 2015 Illapel Erdbeben in Zentralchile: ein typischer Fall für ein charakteristisches Erdbeben?

Tilmann, F., Zhang, Y., Moreno, M., Saul, J., Eckelmann, F., Palo, M., Deng, Z., Babeyko, A. Y., Chen, K., Baez, J. C., Schurr, B., Wang, R., Dahm, T. (2016):

Am 16. September 2015 brach das Mw8.2 Illapel Mega-Aufschiebungserdbeben den zentralchilenischen kontinentalen Rand. Aus den Inversionsergebnissen von Oberflächendeformationsdaten und seismischen Wellenformdaten, kombiniert mit dem Ergebnis aus einer hochfrequenten (HF) teleseismischen Backprojektion, ergibt sich eine umfassende Beschreibung des Bruchprozesses, die auch die Tsunamibeobachtungen im Tiefseebereich gut erklären kann. Weiterhin bestimmen wir Momenttensoren und bekommen genaue Herdtiefen von Nachbeben. Das Hauptbeben ereignete sich nahe der Küste, wobei der Bruch nach Nord und Richtung Erdoberfläche propagierte und dabei in der spitze eine Verschiebung von 5-6 m erreichte. Die hochfrequente seismische Energie wurde meist vom unteren Rand der Region intensiver Verschiebungen emittiert und deren Abstrahlung endete früher als die niederfrequente Energie. Dies deutet auf eine glattere Verschiebung entlang der flachverlaufenden Plattengrenze in der Endphase des Bruchprozesses hin. Ein scheinbar ähnliches Beben in 1943 mit einer ähnlichen Nachbebenzone hatte eine viel kürzere Quellzeitfunktion, die mit der Dauer der hochfrequenten seismischen Energieabstrahlung des jetzigen Ereignisses gut übereinstimmt. Dies deutet darauf hin, dass beim Beben von 1943 eine Verschiebung im flachen Bereich nicht stattfand.

| Geophys. Res. Letters, 43, 2, pp. 574-583. | DOI: 10.1002/2015GL066963 | pdf |


Die scheinbare Nachbebenfunktion als Resultat der ratenabhängigen Unvollständigkeit der Erdbebenkataloge

Hainzl S. (2016)

Der Beginn der Nachbebenaktivität nach Hauptbeben ist umstritten. Physikalische Modelle sagen einen spannungsabhängigen Einsatz des Abfalls der Raten vorher und Kataloganalysen zeigen einen klaren Anstieg des c-Wertes des Omori-Utsu Gesetzes mit der Hauptbebenmagnitude. Erdbebenkataloge haben aber eine variable Qualität und Vollständigkeit, insbesondere fehlen Erdbeben direkt nach Hauptbeben. Deshalb könnte der verzögerte Einsatz der Nachbeben nach großen Erdbeben auch einfach aus der variablen Vollständigkeit resultieren. Hier benutze ich einen kürzlich entwickelten neuen Ansatz, der die Detektionswahrscheinlichkeit als Funktion der tatsächlichen Erdbebenrate beschreibt. Ich leite daraus eine analytische Beziehung zwischen der scheinbaren (beobachteten) und tatsächlichen Erdbebenrate ab, welcher nur von der Zeit abhängt, in welcher Detektionsalgorithmen nach einem Erdbeben blind für ein folgendes Ereignis sind. Anhand von Simulationen Omori-artiger Nachbebensequenzen wird diese Relation zuerst getestet und verifiziert. Die nachfolgende Analyse von Erdbebensequenzen in Südkalifornien und Taiwan zeigt, dass die abgeleitete Funktion die empirische Nachbebenaktivität konsistent erklären kann. Dies deutet darauf hin, dass die beobachtete Skalierung des Omori-c Parameters hauptsächlich aufgrund der variablen Vollständigkeit der Kataloge auftritt und nicht auf einen tieferen physikalischen Prozess hindeutet.

|J. Geophys. Res. Solid Earth, 121, Pages 6499–6509 | DOI: 10.1002/2016JB013319 |


Sloshing of a bubbly magma reservoir as a mechanism of triggered eruptions. - Journal of Volcanology and Geothermal Research.

Namiki, A., Rivalta, E., Woith, H., Walter, T. R. (2016)

Schwere Erdbeben können Vulkanausbrüche auslösen. Eine mögliche Erklärung basiert auf der Mobilisierung vulkanischer Gase durch Erdbebenwellen. Experimentell und theoretisch haben wir untersucht, welchen Einfluss „sloshing“ (dt. schwappen) – eine Resonanzbewegung in einem Behälter mit Flüssigkeit – auf die Stabilität von Gasblasen in Aufstiegskanälen und Magma-Reservoiren von Vulkanen hat. Das Konzept haben wir von Ingenieuren übernommen, da Schäden an Erdöltanks durch „sloshing“ nach schweren Beben ein bekanntes Phänomen sind. „Sloshing“ tritt in teilweise gefüllten Behältern auf, aber auch in komplett gefüllten Tanks sofern eine Dichteschichtung der Fluide vorliegt. In der Natur herrschen solche Bedingungen an offenen Aufstiegskanälen sowie geschlossenen Magma-Reservoiren, etwa wenn blasenreiches Magma über frisch injiziertem, dichterem Magma liegt. Im Labor haben wir Erschütterungen eines rechteckigen Behälters durchgeführt, der partiell mit Flüssigkeiten gefüllt war, aber auch mit blasenreichen Fluiden (Schaum) sowie geschichteten Medien (Schaum auf Flüssigkeit). Die Schaumlagen kollabierten, wenn die Resonanzfrequenz der Flüssigkeit erreicht wurde. Niedrige Viskositäten und große Blasen fördern den Kollaps. Bei Versuchen mit geschichteten Medien kam es zur Durchmischung des Schaums mit der darunterliegenden Flüssigkeit. Übertragen auf natürliche Systeme legen unsere Ergebnisse nahe, daß seismische Wellen mit niedrigen Frequenzen (< 1Hz, typisch für große Erdbeben) Magma in Aufstiegskanälen, deren Durchmesser größer als 0,5 Meter ist, in Resonanzschwingungen versetzen können. Bodenbewegungen > 0,1 m/s reichen aus, um blasenreiches Magma kollabieren zu lassen. Das dabei freigesetzte Gas diffundiert ins umgebende Gestein oder akkumuliert in einer großen Blase, die aufsteigt und schließlich an der Oberfläche zerplatzt und so eine Eruption auslöst („gas slug“). Mischt sich der blasenreiche Schaum hingegen mit darunterliegendem Magma, so können neue Nukleationspunkte, z.B. für weitere Gasblasen entstehen. Somit ließen sich verzögerte Vulkanausbrüche erklären, wie es bei dem Vulkan Fuji beobachtet wurde, der 49 Tage nach dem großen Hoei-Erdbeben von 1707 in Japan ausbrach. Es wurden sowohl dacitische als auch basaltische Magmen gefördert, was sich mit erdbeben-getriggertem „sloshing“ und anschließender Magmenmischung erklären ließe.

| doi.org/10.1016/j.jvolgeores.2016.03.010 | pdf |

Diese Studie erhielt internationale Aufmerksamkeit und wurde im SCIENCE magazine hervorgehoben:
| DOI: 10.1126/science.aaf4172 |

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