Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Nächste Schritte bei der Vulkan-Überwachung mit Telefon-Glasfasertechnik

Mithilfe von Unterseekabeln für die Telekommunikation konnten Forschende niederfrequente seismische Ereignisse beim Erwecken der Insel Vulcano überwachen.

Zusammenfassung

Seismische Signale von Vulkanen sind nützlich, um zu verstehen, in welchem Zustand sich die Vulkane befinden. Sie können daher wertvolle Informationen liefern, um die aktuelle Gefährdungslage durch mögliche Eruptionen einzuschätzen. Insbesondere der Mechanismus von niederfrequenten Signal-Komponenten ist noch umstritten. Zur Detektion dieser Signale können nun auch herkömmliche Glasfaser-Telekommunikationskabel genutzt werden, die an Land oder unter dem Meer verlegt sind. Das zeigten Forschende des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Italien, des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) und der Universität Catania (UniCT) (Italien) im Rahmen einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde. Die Untersuchungen fanden an der italienischen Insel Vulcano vor Sizilien statt. Die Forschenden nutzten die sogenannte DAS-(Distributed Acoustic Sensing)-Technologie, um entlang einer 16 Kilometer langen Glasfaser alle vier Meter Informationen über die Verspannung der Glasfaser aufgrund von Bodenbewegungen zu gewinnen. Zur Auswertung der großen Datenmengen haben sie neue Algorithmen entwickelt und Methoden der Künstliche Intelligenz eingesetzt.

Hintergrund: Einschätzung vulkanischer Risiken

Die Bewertung des vulkanischen Risikos erfordert geophysikalische, geochemische und geologische Informationen, die durch wissenschaftliche Instrumente an den Flanken und auf den Gipfeln von Vulkanen gewonnen werden. Insbesondere die niederfrequenten, also die sehr langperiodischen (VLP) und die langperiodischen (LP) seismischen Signale in Vulkanen sind seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Das Verständnis ihrer Entstehungsmechanismen ist ein Schlüsselelement für die Bewertung des Aktivitätszustands von Vulkanen und damit für die Entwicklung von Warnsystemen.

Bisherige Technologie

Bisher waren Breitbandseismometer die wichtigsten Instrumente, um seismische Signale und die Prozesse ihrer Entstehung in Vulkanen zu untersuchen. Sie werden in der Regel auf dem Vulkangebäude installiert, um Ereignisse zu erfassen und ihre Quelle abzuschätzen. Auf kleinen Vulkaninseln erfordert die Unterwasserumgebung jedoch die Installation von Instrumenten (OBS, Ocean Bottom Seismometers), die besonders teuer sowie schwierig zu betreiben und zu warten sind.

Neuer Ansatz auch für niederfrequente Signale

Als Alternative bietet sich es sich jetzt an, bereits installierte Glasfaser-Telekommunikationskabel in Kombination mit der sogenannten DAS-Technologie (Distributed Acoustic Sensing) zu nutzen. Dass sich diese Technologie auch für die Erfassung der sehr langperiodischen und langperiodischen seismischen Signale eignet, zeigte nun ein Forschungsteam um Gilda Currenti vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Italien und Philippe Jousset vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ an der italienischen Insel Vulcano, die zu den Liparischen Inseln vor Sizilien gehört. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Scientific Reports. Bereits im vergangenen Jahr hatten sie berichtet, dass das Verfahren grundsätzlich für die Überwachung von Vulkanen geeignet ist (s.u.).

In ihren Studien nutzen sie die unterseeische Glasfaserverbindung zwischen der Telekommunikationsstation von TIM Vulcano (Telecom Italia) auf der Insel und Milazzo im Nordosten Siziliens, die sich über rund 50 Kilometer am Meeresgrund erstreckt. In den verlegten Kabeln sind grundsätzlich mehr Glasfaserleitungen parallel verbaut als zur Telekommunikation genutzt werden. Für die DAS-Technologie wird eine davon gebraucht.

Die DAS-Technologie und ihre Vorteile

Diese Glasfasern werden in Kombination mit der DAS-Technologie (Distributed Acoustic Sensing) als seismische Sensoren eingesetzt. In diesem Fall war ein DAS-Gerät („iDAS“) in der Telekommunikationszentrale installiert. Es enthält einen Laser, der Lichtimpulse in die Faser sendet. Das zurückgestreute Signal wird aufgezeichnet. Erschütterungen und Bewegungen im Untergrund verformen die Fasern. Diese Dehnungsschwankungen verzerren das Signal. Aus dessen Analyse lassen sich Informationen über die Bewegung der Erde aus der Ferne via Internet ableiten. Diese Methode ermöglicht eine Aufzeichnung von Signalen mit hoher räumlicher Auflösung von etwa vier Metern und hoher zeitlicher Auflösung von etwa einem Kilohertz.

„Mit der Fähigkeit, Unterseekabel auch über große Entfernungen von einigen zehn Kilometern abzufragen, verwandeln DAS-Geräte die Glasfaser in eine dichte Anordnung verteilter Sensoren, die einfacher zu verwalten sind als herkömmliche Sensoren. Diese Fähigkeit ermöglicht ein einfaches und schnelles Eingreifen, um Signale zu erfassen, die für eine schnelle Reaktion auf Vulkankrisen nützlich sind“, sagt Gilda Currenti vom INGV.

Die aktuelle Messkampagne

Die Messkampagne der nun vorgelegten Studie erstreckte sich vom 13. Januar bis zum 14. Februar 2022. Am Vulkan waren Anzeichen von Unruhen bereits seit September 2021 beobachtet worden, mit CO2-Entgasung und dem Auftreten von lang- und sehr langperiodischen Ereignissen.

Während der einmonatigen Erfassung registrierten die Forschenden 1488 Ereignisse mit einer großen Vielfalt an Wellenformen, die sich aus zwei Hauptfrequenzbändern (von 0,1 bis 0,2 Hertz und von 3 bis 5 Hertz) mit unterschiedlichen relativen Amplituden zusammensetzen.

Herausforderung: Große Datenmengen

Weil die Erfassung von DAS-Signalen eine riesige Datenmenge erzeugt, stellt das Verfahren aus Sicht der Informatik eine Herausforderung für die Speicherung, den Zugriff und die Verarbeitung dar. Während des Vulkanexperiments wurden kontinuierlich Daten erfasst, insgesamt etwa 20 Terabyte.

Daher entwickelte das Team neue Computerlösungen, um die extrem großen Datenmengen zu sammeln, zu verwalten und zu analysieren. Hierfür nutzte es die jüngsten technologischen Fortschritte im Bereich des Hochleistungsrechnens (HPC) und der Künstlichen Intelligenz.

Seine Ergebnisse verglich das Team mit denen herkömmlicher Mess- und Auswertemethoden.

Ergebnisse und Einschätzung der neuen Methode

Auf der Grundlage der spektralen Signatur und der Klassifizierung schlagen die Forschenden zur Interpretation der Daten ein Modell für die vulkanische Aktivität vor, bei dem sich im hydrothermalen System, einem heißen Gas-Wasser-Gemisch, das im Inneren bestimmter Arten von Vulkanen existiert, Gas ansammelt und durch eine Reihe von Resonanzbrüchen bis an die Oberfläche freigesetzt wird.

„Die Studie hat gezeigt, dass die Abfrage des Unterwasser-Glasfaserkabels, das die Insel Vulcano mit Milazzo verbindet, in Verbindung mit speziellen Verarbeitungsalgorithmen wirksam zur seismischen Überwachung und zum Verständnis des Ursprungs niederfrequenter seismischer Signale beitragen kann, die durch hydrothermale Aktivitäten an Vulcano erzeugt werden. Dieses Beispiel öffnet die Tür zur Beobachtung unbekannter unterseeischer Vulkane“, resümiert Philippe Jousset vom GFZ.

 

Originalstudie:

Currenti, G., Allegra, M., Cannavò, F., Jousset, P. et al. Distributed dynamic strain sensing of very long period and long period events on telecom fiber-optic cables at Vulcano, Italy. Sci Rep 13, 4641 (2023). DOI: 10.1038/s41598-023-31779-2


Ähnliche Veröffentlichungen:

https://www.gfz-potsdam.de/presse/meldungen/detailansicht/vulkanueberwachung-mit-glasfaserkabeln

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