Gebirgswachstum beeinflusst Treibhauseffekt

Verwitterungsprozesse können Kohlendioxid binden oder freisetzen – In „aktiven“ Gebirgsregionen dominiert Freisetzung

Taiwan ist ein Land der Extreme: Schwere Erdbeben und Taifune suchen die Insel immer wieder heim und verändern die Landschaft zum Teil katastrophal. Das macht Taiwan zu einem gigantischen Labor für Geowissenschaften. Erosionsprozesse laufen zum Beispiel im Zentrum der Insel bis zu tausendmal schneller ab als in ihrem äußersten Süden. Das beeinflusst auch die chemische Verwitterung von Gesteinen und offenbart Einblicke in den Kohlenstoffkreislauf unseres Planeten auf einer Skala von Jahrmillionen. Eine Gruppe von Forschenden um Aaron Bufe und Niels Hovius vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) hat sich jetzt die unterschiedlichen Erosionsraten zunutze gemacht und untersucht, wie Hebung und Erosion von Gesteinen das Gleichgewicht von Kohlenstofffreisetzung und -bindung bestimmen. Das überraschende Ergebnis: Bei hohen Erosionsraten setzen Verwitterungsprozesse Kohlenstoffdioxid frei, bei niedrigen Raten binden sie den Kohlenstoff aus der Atmosphäre.

Hinter all dem stehen tektonische und chemische Prozesse. Insbesondere rasch wachsende Gebirge bringen ständig frisches Gesteinsmaterial aus dem Untergrund nach oben. Dort ist es der Witterung und dem Wasserkreislauf ausgesetzt. Je nach Felsmaterial gibt es sehr unterschiedliche Effekte auf das Erdklima. Kommt etwa Kohlensäure aus dem Boden mit Silikatmineralien in Kontakt, fällt Kalkstein (CaCO3) aus, in dem der Kohlenstoff dann langfristig gebunden ist. Bei einer Kombination aus schwefelhaltigem Gestein – etwa Pyrit – und Kalkgestein passiert das Gegenteil. Denn kommt das schwefelhaltige Gestein in Kontakt mit Wasser und Sauerstoff, entsteht Schwefelsäure, die wiederum das Kalkgestein zersetzt und damit CO2 erzeugt. Man nimmt an, dass dieser Zusammenhang zwischen Plattentektonik und chemischer Verwitterung das Klima unseres Planeten auf einer Skala von Jahrmillionen beeinflusst. Aber wie genau wirkt das Wachstum von Gebirgszügen wie den Alpen und dem Himalaya auf das Klima? Beschleunigt sich die Silikatverwitterung und das Klima kühlt ab? Oder dominiert die Zersetzung von Kalk durch Schwefelsäure, und die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre steigt – mit Verstärkung der globalen Erwärmung?

Um diese Fragen zu beantworten, ist die Südspitze der Insel Taiwan ein idealer Ort. Taiwan befindet sich an einer Subduktionszone, wo ozeanische Kruste unter den asiatischen Kontinent abtaucht. Dabei falten sich Gebirgszüge auf. Während sich das Zentrum der Insel schon seit mehreren Millionen Jahren mit hohen und schroffen Bergen über den Ozean erhebt, ist die Südspitze gerade erst aus dem Meer aufgetaucht. Dort sind die Berge sanft und sie erodieren relativ langsam. Nach Norden hin wachsen die Berge zunehmend rasch, und frisches Gestein wird schnell an die Erdoberfläche gebracht, um dort zu verwittern. Außerdem sind die Sedimente, die im Süden Taiwans zersetzt werden, ziemlich typisch für viele junge Gebirgszüge auf der ganzen Welt und enthalten vor allem Silikatmineralien mit ein wenig Kalk und Pyrit.

In ihrer Studie haben die Forschenden Flüsse beprobt, welche Wasser aus diesen Bergen mit unterschiedlichen Erosionsraten sammeln. Aus dem in den Flüssen gelösten Material schätzten die Forschenden den Anteil der Sulfid-, Karbonat- und Silikatmineralien an der Verwitterung. Anhand dieser Ergebnisse konnten sie die Menge an CO2 abschätzen, die durch die Verwitterungsreaktionen sowohl gebunden als auch produziert wird. Erstautor Aaron Bufe berichtet: „Wir fanden heraus, dass im südlichsten Teil Taiwans die Bindung von atmosphärischem CO2 über die Silikatverwitterung dominiert. Weiter nördlich jedoch, wo die Berge schneller erodieren, überwiegen die Karbonat- und Sulfid-Verwitterungsraten und CO2 wird freigesetzt.“

Erhöht die Verwitterung von Gebirgszügen also das CO2 in der Atmosphäre? Aaron Bufe sagt: „Über Taiwan können wir relativ gute Aussagen treffen. Die Verwitterung von Gesteinen in diesem äußerst aktiven Gebirgszug scheint insgesamt CO2 freizusetzen. Aber vielleicht ändert sich die Geschichte, wenn die Gesteine aus den Bergen in riesige Schwemmebenen hinuntergespült werden und dort als Sediment landen; so, wie zu den Füßen des Himalayas oder der Alpen. Diese Sedimente sind oft reich an Silikaten, das dann weiter verwittern und CO2 binden kann. Außerdem werden durch die Kollision von Gebirgszügen nicht nur Sedimentgesteine mit Pyrit und Karbonat an die Erdoberfläche gebracht, sondern auch Gesteinsarten, die sich aus verfestigtem Magma gebildet haben und viele frische Silikate enthalten, die schnell verwittern. Es liegen also noch ein paar Berge an Arbeit vor uns, um den Effekt von Gebirgen auf die Verwitterung vollständig zu entschlüsseln.“

Originalstudie: Bufe, A., Hovius, N., Emberson, R. et al. Co-variation of silicate, carbonate and sulfide weathering drives CO2 release with erosion. Nat. Geosci. 14, 211–216 (2021). DOI: 10.1038/s41561-021-00714-3

 

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. Aaron Bufe
Sektion Geomorphologie
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
Tel: +49 331 288-27544
E-Mail: aaron.bufe@gfz-potsdam.de

Medienkontakt:

Josef Zens
Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
Tel.: +49 331 288 1040
E-Mail: josef.zens@gfz-potsdam.de

 

 

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