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Nilpferde, die tierischen Siliziumpumpen

Mit ihrem Kot befördern Nilpferde große Mengen des für Ökosysteme wichtigen Stoffes Silizium vom Land in die Gewässer.

Mit ihrem Kot befördern Nilpferde große Mengen des für Ökosysteme wichtigen Stoffes Silizium vom Land in die Gewässer

Die Exkremente von Nilpferden spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der afrikanischen Seen und Flüsse. Weil es immer weniger Nilpferde gibt, ist dieses Ökosystem in Gefahr. Langfristig könnte dies zum Beispiel zu Nahrungsmangel am Viktoriasee führen. Das sind einige der Ergebnisse einer neuen Studie eines internationalen Teams von Forschenden, die im Fachjournal Science Advances erschienen ist. An der Studie war auch Patrick Frings vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam beteiligt.

Wild lebende Nilpferde haben einen einzigartigen Lebensstil: Nachts fressen sie Dutzende Kilogramm frischen Grases in den Savannen. Die Tage verbringen sie zumeist gemeinsam entspannt in Flussläufen oder Seen, weit weg von Feinden und geschützt vor der brennenden Sonne. Während des Faulenzens im Wasser wird allerdings ihre Verdauung aktiv. So gelangen ganz enorme Mengen an Nilpferdgülle in die Gewässer.

Nilpferde unterscheiden sich da von anderen Großweidern in der Savanne", erklärt der Biologe Jonas Schoelynck von der Universität Antwerpen, der Erstautor der Studie. „Die Nährstoffe in der Gülle der meisten Weidegänger landen größtenteils wieder in der Savanne, wo sie von den Pflanzen erneut aufgenommen werden. Bei Nilpferden ist dies nicht der Fall: Sie fungieren als eine Art Nährstoffpumpe vom Land in die Flüssen und Seen.“ In der nun veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden um Schoelynck und Frings, dass diese Pumpenfunktion für das Leben im Wasser von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Ergebnisse stammen aus einer Expedition zum knapp vierhundert Kilometer langen Mara River im Masaai Mara Nature Reserve in Kenia.

Nilpferd-Exkremente im Labor untersucht

Das Gras, das die Nilpferde fressen, enthält Silizium“, erklärt Jonas Schoelynck. „Die Gräser nehmen dieses Silizium aus dem Grundwasser auf. Es gibt ihnen die nötige Festigkeit, schützt sie vor Krankheiten und in begrenztem Maße vor der Beweidung durch Kleintiere.“ Patrick Frings aus der Sektion Geochemie der Erdoberfläche des GFZ hat im Labor die Isotopenzusammensetzung des Siliziums in Proben von Pflanzen, Wasser und Nilpferd-Exkrementen analysiert. Diese liefert eine Art chemischen Fingerabdruck einer Stoffprobe. „Mithilfe der Isotopenanalyse konnten wir den Transportweg des Siliziums rekonstruieren“, erklärt Frings.

Die Forschenden konnten zeigen, dass das Silizium zu einem großen Teil durch (sic!) die Nilpferde in den Mara River gelangte. In dem untersuchten Gebiet im Südwesten Kenias nahmen die grasenden Tiere über die von Ihnen vertilgten Pflanzen täglich insgesamt 800 Kilogramm an Silizium auf. Davon landeten täglich 400 Kilogramm über die Ausscheidung mit dem Nilpferdkot im Wasser. Der Beitrag der Nilpferde hat durch verschiedene ökologische Mechanismen Einfluss auf über 76 Prozent des entlang des Mara River transportierten Siliziums, zeigen Berechnungen der Forschenden. Nilpferde sind demnach ein Schlüsselfaktor im biogeochemischen Silizium-Kreislauf bestimmter Gebiete. „Unsere Ergebnisse sind völlig neuartig“, sagt Patrick Frings vom GFZ. „Bisher ging man nicht davon aus, dass weidende Wildtiere einen solchen Einfluss auf den Silizium-Transport vom Land in Seen haben könnten. Dieser Prozess ist für das gesamte Land-Wasser-Ökosystem von entscheidender Bedeutung. In der Vergangenheit wurde er aber einfach übersehen.

Eine Welt ohne Nilpferde

Für bestimmte Organismen wie etwa Kieselalgen sei das Silizium lebensnotwendig, so die Forschenden. Diese einzelligen Algen leben im Wasser, produzieren Sauerstoff und bilden in vielen meisten Wasserökosystemen die Grundlage der Nahrungskette. Im Falle eines Siliziummangels könne die Kieselalgenpopulation zusammenbrechen, mit schädlichen Folgen für das gesamte Nahrungsnetz im betroffenen See oder Fluss.

Die Anzahl der Nilpferde in Afrika sei in den vergangenen Jahren durch Jagd und Verlust von Lebensräumen drastisch zurück und ihre Funktion als tierische Siliziumpumpen damit zum Teil verloren gegangen. Afrikaweit seien in den vergangenen Jahrzehnten bis zu neunzig Prozent der Nilpferde ausgestorben. „Der Viktoriasee, in den der Mara River mündet, kann mit seiner aktuellen Siliziumversorgung zwar noch mehrere Jahrzehnte überdauern“, sagt Jonas Schoelynck. „Aber auf lange Sicht gibt es wahrscheinlich ein Problem. Wenn die Kieselalgen nicht genügend Silizium bekommen, werden sie durch Schädlingsalgen ersetzt, die alle möglichen unangenehmen Folgen haben, wie etwa Sauerstoffmangel und ein damit verbundenes Fischsterben. Und das Fischen ist eine wichtige Nahrungsquelle für die Menschen am Viktoriasee."

Originalstudie:
Schoelynck, J., Subalusky, A.L., Struyf, E., Dutton, C.L., Unzué-Belmonte, D., Van de Vijver, B., Post, D.M., Rosi, E.J., Meire, P., Frings, P., 2019. Hippos (Hippopotamus amphibius): The animal silicon pump. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.aav0395
doi.org/10.1126/sciadv.aav0395

Bildmaterial:
Flusspferde, die den Tag gemeinsam in den ruhigen Teilen des Flusses verbringen (Foto: Jonas Schoelynck). media.gfz-potsdam.de/gfz/wv/pm/19/10954_Figuur-1_Jonas-Schoelynck.jpg

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Patrick Frings
Sektion Geochemie der Erdoberfläche
Helmholtz-Zentrum Potsdam
 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Tel.: +49 331 288-28805
E-Mail: patrick.frings@gfz-potsdam.de

Medienkontakt:
Dipl.-Phys. Philipp Hummel
Referent in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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