Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Havel und Spree: Schon vor über achthundert Jahren vom Menschen geprägt

Der Mensch formt seine Umwelt, und das nicht erst seit der jüngeren Vergangenheit. Im seit Jahrtausenden besiedelten...

28.09.2017: Der Mensch formt seine Umwelt, und das nicht erst seit der jüngeren Vergangenheit. Im seit Jahrtausenden besiedelten Mitteleuropa ist oftmals nur noch schwer zu bestimmen, wie eine Landschaft im naturbelassenen Zustand aussähe. Hier hat der Mensch die Naturlandschaft zu einer Kulturlandschaft überprägt, mit Auswirkungen auch auf künftige Nutzungen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung des GFZ haben in einer interdisziplinären Studie den menschlichen Einfluss auf das Flusssystem von Havel und Spree im Raum Berlin-Stadt Brandenburg untersucht. Sie zeigten, dass schon im Hochmittelalter massiv in die Flussläufe eingegriffen wurde.

Die Europäische Gemeinschaft fordert von ihren Mitgliedern die Erhaltung und unter Umständen auch die Renaturierung von Flusslandschaften. Ziel ist ein „guter ökologischer Status“ von Gewässern. Da insbesondere Ballungsräume schon auf eine Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alte Nutzungsgeschichte zurückblicken, ist diese Forderung nicht ohne weiteres umsetzbar. Denn: Wie sieht der „gute ökologische Status“ aus, zu dem eine Flusslandschaft entwickelt werden soll? Unter Umständen erweist sich ein als „natürlich“ angesehener Zustand eines Ökosystems bei näherer Betrachtung als durch den Menschen geformt.

Um herauszufinden, wie sich das Flusssystem von Havel und Spree in der Vergangenheit entwickelt hat, untersuchte das Team um Erstautor Knut Kaiser vom GFZ die Flussgeschichte der vergangenen 2000 Jahre. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Geoarchaeology veröffentlicht. Kaiser: „Unsere Ergebnisse zur historischen Landschaftsentwicklung können die Überlegungen zum konkreten Ziel von Renaturierungsmaßnahmen unterstützen.“

Staudämme ließen schon im Mittelalter den Wasserspiegel steigen

Das Team hat erstmals die Entwicklung des Wasserspiegels von Seen im Flusssystem der mittleren Havel und der mit ihr verbundenen Spree systematisch ausgewertet und Seespiegelschwankungen der vergangenen 2000 Jahre rekonstruiert. Dafür haben die Forschenden auf Daten zurückgegriffen, die im Zusammenhang mit archäologischen Ausgrabungen und paläo-ökologischen Untersuchungen erhoben wurden. So zeigen beispielsweise in Sedimenten gefundene und zeitlich eingeordnete Reste von Pflanzen an, ob das Gelände zu einem bestimmten Zeitpunkt von Wasser- oder Landpflanzen bewachsen war und ein Bereich somit unter oder über Wasser lag.

Die Daten deuten darauf hin, dass der Wasserspiegel im Hochmittelalter vor etwa 800 Jahren um etwa eineinhalb Meter anstieg. Als Ursache fand das Team heraus, dass die mittlere Havel über eine Länge von etwa 150 Kilometern in Abschnitten aufgestaut wurde, um Wassermühlen anzutreiben, mit massiven Auswirkungen auf das Flussökosystem. Große Teile des vormals stark von Mooren geprägten Gebietes wurden überflutet und bereits vorhandene Seen vergrößerten sich. Andere zuvor trockene Bereiche wandelten sich wiederum zu Mooren.

Kaiser: „Für Renaturierungsvorhaben bedeuten unsere Ergebnisse allgemein, dass der „natürliche“ Zustand eines Flusses mit äußerster Umsicht und unter Berücksichtigung langer Zeiträume bestimmt werden muss.“ (ak)

Originalstudie: Kaiser, K., Keller, N., Brande, A., Dalitz, S., Hensel, N., Heußner, K.-U., Kappler, C., Michas, U., Müller, J., Schwalbe, G., Weiße, R., Bens, O., 2017. A large-scale medieval dam-lake cascade in central Europe: Water level dynamics of the Havel River, Berlin-Brandenburg region, Germany. Geoarchaeology, DOI: 10.1002/gea.21649

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