Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Diamanten führen Logbuch über ihre Reise in die Tiefe

Winzige Einschlüsse im Kristall stehen unter gewaltigem Druck – und künden von einer bewegten Entstehungsgeschichte | Ein Team von der Hebrew University Jerusalem und vom GFZ hat vor kurzem nanometerkleine Fremdkörper in Diamanten untersucht. Wie in einem Reisetagebuch ist darin der Weg der Diamanten über Jahrmillionen bis hin zur Übergangszone zum unteren Erdmantel dokumentiert. Die Geschichte zeichnen die Forscher um den Hauptautor Oded Navon, von der Hebrew University Jerusalem, jetzt im Fachmagazin Earth and Planetary Science Letters nach.

Winzige Einschlüsse im Kristall stehen unter gewaltigem Druck – und künden von einer bewegten Entstehungsgeschichte

18.04.2017: Für einen Edelsteinhändler ist diese Art von Diamanten wertlos, für die Geoforschung aber sind sie wahre Schätze. Braun in der Färbung, durchzogen von Schlieren und zum Teil undurchsichtig erscheinen die millimetergroßen Stücke aus Juina (Brasilien). „Dieses Aussehen entsteht durch Millionen winziger Einschlüsse im Diamantkristall“, sagt Christian Schmidt, GFZ-Sektion Chemie und Physik der Geomaterialien. Ein Team von der Hebrew University Jerusalem und vom GFZ hat vor kurzem diese nanometerkleinen Fremdkörper untersucht. Wie in einem Reisetagebuch ist darin der Weg der Diamanten über Jahrmillionen bis hin zur Übergangszone zum unteren Erdmantel dokumentiert. Die Geschichte zeichnen die Forscher um den Hauptautor Oded Navon, von der Hebrew University Jerusalem, jetzt im Fachmagazin Earth and Planetary Science Letters nach.

Verbogener Diamant

Oded Navon hatte diese seltenen Diamanten von Jeff Harris, University of Glasgow, und DeBeers bekommen und nach Potsdam zu Richard Wirth gebracht, um die Einschlüsse mittels Transmissionselektronenmikroskopie zu untersuchen. „Für eine Analyse mittels Raman-Spektroskopie waren die einzelnen Einschlüsse viel zu klein“, erzählt Christian Schmidt. „Aber vielleicht würden wir Glück haben und ihre große Anzahl in einem kleinen Volumen würde uns doch ein Signal geben.“ Sie hatten Glück. Das zeigten die Analysen deutlich: In den Einschlüssen steckte Stickstoff in festem Aggregatzustand. Und diese Stickstoffkristalle standen unter einem enormen Druck von 10,9 Gigapascal, das entspricht etwa dem 110.000-fachen Luftdruck auf Meeresspiegelhöhe. Der Überdruck war zu sehen: Die polierte Oberfläche der Diamantprobe bog sich über den Einschlüssen um 2 Nanometer nach außen.

Unseres Wissens nach ist der beobachtete Druck der größte, der jemals in einem  Mineraleinschluss gemessen wurde“, schreibt das Team. Dass der umgebende Diamant trotz dieses hohen Drucks die Spannung aushält und nicht zerbricht und der Stickstoff im Einschluss nicht verdampft, liegt daran, dass die Einschlüsse nur 20 bis maximal 300 Nanometer klein sind.

Verschleppt in große Tiefe

Anhand der Messwerte konnten die Forscher einen Bildungsdruck der Einschlüsse von etwa 22 Gigapascal rekonstruieren. Das bedeutet, dass diese Diamanten aus größerer Tiefe gekommen sein müssen als die meisten natürlichen Diamanten, die im Oberen Erdmantel entstehen. Aus Sicht des Teams sieht das plausibelste Szenario folgendermaßen aus: In der Übergangszone zum unteren Erdmantel entsteht ein Diamant aus viel Kohlenstoff und ein wenig Stickstoff, der ins Kristallgitter eingebaut wird. Dieser Diamant wird von einer Konvektionsströmung im Erdmantel bis in eine Tiefe von rund 630 Kilometer verschleppt, wo es über 1600 Grad Celsius heiß ist. Dort entmischt sich Stickstoff aus dem Kohlenstoffgitter und bildet zahlreiche winzige Einschlüsse. Den Berechnungen zufolge geht das aus geologischer Sicht relativ schnell, je nach Temperatur können bereits 10.000 Jahre genügen. Dann wird dieser Prozess unterbrochen und der Diamant wird mit einem „mantle plume“ – einer Art Aufwallung – oder mit einer Schmelze nach oben befördert. Danach verharrt er unter der kontinentalen Lithosphäre, bis eines Tages eine so genannte kimberlitische Schmelze nach oben jagt und die „wartenden“ Diamanten an die Erdoberfläche mitreißt.

In dem beschriebenen Szenario ist es recht unwahrscheinlich, dass ein solcher Diamant bis an die Erdoberfläche gelangt“, sagt Christian Schmidt. „Tatsächlich gibt es weltweit nur rund zehn Stellen, an denen man solche Diamanten mit diesen Spuren aus großer Tiefe gefunden hat.“ So sind diese Diamanten seltener als andere und dennoch für die Schmuckindustrie nur von geringem Wert. Für GeoforscherInnen aber sind die Steine unbezahlbar. (rn)

Originalstudie: Navon, O., Wirth, R., Schmidt, C., Brooke, M.J., Schreiber, A., Emmanuel, S., 2017. Solid molecular nitrogen inclusions in Juina diamonds: Exsolution at the base of the transition zone. Earth and Planetary Science Letters. DOI: 10.1016/j.epsl.2017.01.035

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