Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Erosion bringt einen Hang zum Rutschen – und dieser stabilisiert sich selbst

Flüsse führen enorme Mengen Sand und Kies mit sich. Dies kann die Infrastruktur wie Brücken und Gebäude gefährden. Um das Risiko besser einschätzen zu können, wollen Forscherinnen und Forscher herausfinden, durch welche Prozesse am Oberlauf der Gewässer wie viel Sediment bereitgestellt wird. GFZ-Wissenschaftler haben jetzt eine enge Wechselwirkung zwischen Bächen und Hängen aufgeklärt. Die Erkenntnisse können helfen, den Zeitrahmen und den Umfang der Sedimentlieferungen genauer zu ermitteln. 

 

Zeitraffer-Aufnahmen zeigen faszinierendes Wechselspiel an einem Gebirgsbach

27.01.2017: Flüsse führen enorme Mengen Sand und Kies mit sich. Dies kann die Infrastruktur wie Brücken und Gebäude gefährden. Um das Risiko besser einschätzen zu können, wollen Forscherinnen und Forscher herausfinden, durch welche Prozesse am Oberlauf der Gewässer wie viel Sediment bereitgestellt wird. GFZ-Wissenschaftler haben jetzt eine enge Wechselwirkung zwischen Bächen und Hängen aufgeklärt. Die Erkenntnisse können helfen, den Zeitrahmen und den Umfang der Sedimentlieferungen genauer zu ermitteln.

Für Ihre Feldstudie analysierten Antonius Golly vom Helmholtz-Zentrum Potsdam -Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ und Kollegen die Veränderungen am Erlenbach in der Schweiz. Es handelt sich um einen Gebirgsbach, der von Hängen aus lockerem Material flankiert wird. Auf dem beobachteten Teilstück befindet sich eine markante Stufe von rund einem halben Meter Höhe, über die das Wasser zu Tal fließt. Mit Hilfe eines Kamerasystems, das alle 30 Minuten eine Aufnahme macht, konnten die Wissenschaftler eine wiederkehrende Entwicklung beobachten. Nach einem starken Regenguss führte der Bach so viel Wasser, dass die Kraft ausreichend stark war, die Stufe zu erodieren und rund vier Meter bachaufwärts zu verlagern. Dem Hang, der bis dahin durch die Sedimentfüllung im Bach vor dem Abrutschen gesichert war, fehlte das Widerlager an seinem Fuß. Umgehend brach ein Stück des Ufers ab und wurde fortgespült, das Bachbett wurde an dieser Stelle breiter, während die übrigen Bereiche des Hangs zunächst unverändert blieben, berichten die Forscher im Fachmagazin „Geology“.

Der Hang gleitet - und schüttet das Bachbett wieder zu 

Zwei Tage nach dem Hochwasser änderte sich das Bild. Nun begann der gesamte Hang, langsam abzugleiten. In den folgenden Tagen wurde auf diese Weise das Bachbett wieder zugeschüttet, bis erneut eine Stufe im Gewässer entstand – etwa an derselben Stelle wie vor dem heftigen Regenguss. Ab diesem Zeitpunkt kam das Abgleiten praktisch zum Erliegen, der Hang war wieder stabil.

„Wir haben erstmals einen vollständigen Zyklus einer Gerinne-Hang-Kopplung dokumentiert“, sagt der Hauptautor des Artikels, Antonius Golly von der GFZ-Sektion Geomorphologie. Frühere Beobachtungen im Gelände und Laborversuche hätten einen solchen Zusammenhang nahegelegt, doch der Beleg dafür fehlte bisher. „Wir zeigen, dass der wesentliche Faktor für die Hangstabilität der Bach war. Durch die Erosion der Bachstufe wurde der Hang so weit destabilisiert, dass er in das Gewässer stürzte.“ Dies widerlege die Annahme, dass der Sedimenteintrag hauptsächlich durch die hanginterne Hydrologie bestimmt wird. Weiterhin wurde durch die Hangerosion ein Prozess angestoßen, der das ursprüngliche Bachbett wiederherstellt und somit die Flanke wieder stabilisiert.

„Auch wenn der Zustand am Ende dem des Anfangs sehr ähnelt, wurde durch den Zyklus unterm Strich Sediment dem Gewässer zugeführt“, erläutert Golly. Dieser Mechanismus spiele daher eine wichtige Rolle bei Gefährdungsanalysen. „Allein in der Schweiz gehen die Schadenssummen durch Sedimentverlagerungen bei Hochwassern, Murgängen oder Rutschungen jährlich in die Millionen.“ Es sei daher ratsam, Gewässer und ihre Hänge gemeinsam zu beobachten, um Risiken abzuschätzen. Der beschriebene Zyklus trete durchaus häufiger auf, erklären die Forscher in ihrem Fachartikel: Ein Hochwasser, das stark genug ist, diesen Prozess zu starten, trete im Fall des Erlenbachs im Schnitt immerhin alle fünf Jahre auf. An anderen Orten könnte es noch öfter vorkommen.

Die Dynamik des Sedimenttransports und dessen Folgen ist einer der Forschungsschwerpunkte in der GFZ-Sektion Geomorphologie. Erst kürzlich wurde eine Arbeit aus der Sektion, die von Prof. Niels Hovius geleitet wird, im Fachblatt Nature Geoscience als „highlight paper“ geehrt. Darin haben die Forscherinnen und Forscher gezeigt, dass Hangrutsche möglicherweise beträchtlichen Einfluss auf das Klima haben. Der Grund: Bei großen Rutschungen wird viel Gestein freigelegt und dessen Verwitterung beschleunigt. Neben der Silikatverwitterung, die der Atmosphäre CO2 entzieht, wird auch die Sulfidverwitterung angeregt, wie die GFZ-Forscher zeigen. Diese setzt allerdings CO2 frei. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, welcher der beiden Effekte der dominierende ist und eine Einschätzung erlauben, ob Hangrutsche insgesamt einen positiven oder negativen Effekt auf das Klima haben.

Originalstudie:Golly, A., Turowski, J., Badoux, A., Hovius, N., 2017. Controls and feedbacks in the coupling of mountain channels and hillslopes. Geology, doi 10.1130/G38831.1

>>Link zum Video "Zeitraffer-Aufnahmen der Veränderungen im Erlenbach;" Quelle: A. Golly/GFZ in Geology

 

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