Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Bericht | Baumriesen aus der Eiszeit geben Einblick in Klimageschichte

Uralte Baumriesen, die vor vielen Jahrtausenden kippten und in Sümpfe fielen, erlauben einen Einblick in eine dramatische Phase am Ende der letzten Eiszeit (Spätglazial). Zugleich belegen die Kauri-Bäume (Agathis australis) in Neuseeland wichtige Zusammenhänge von Klima und Meeresströmungen auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde. Ein internationales Forscherteam (Neuseeland, Australien, Deutschland, Großbritannien und USA) hat jetzt eine Studie in Nature Scientific Reports veröffentlicht, die auf einer jahrgenauen Holzzuwachs-Analyse der Kauri-Bäume beruht.

Uralte Baumriesen, die vor vielen Jahrtausenden kippten und in Sümpfe fielen, erlauben einen Einblick in eine dramatische Phase am Ende der letzten Eiszeit (Spätglazial). Zugleich belegen die Kauri-Bäume (Agathis australis) in Neuseeland wichtige Zusammenhänge von Klima und Meeresströmungen auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde. Ein internationales Forscherteam (Neuseeland, Australien, Deutschland, Großbritannien und USA) hat jetzt eine Studie in Nature Scientific Reports veröffentlicht, die auf einer jahrgenauen Holzzuwachs-Analyse der Kauri-Bäume beruht.

"Ein Durchbruch"

Erstmals gelang es, für das Spätglazial eine ununterbrochene Jahrringbreitenchronologie über 1451 Jahre für die Südhalbkugel zu erstellen und die 14C-Konzentrationen im Holz der Jahrringe zu bestimmen. Für den beteiligten GFZ-Forscher Gerhard Helle ist das ein „Durchbruch bei der Eichung des Radiokohlenstoffkalenders für die Nord- und Südhemisphäre.“

Der Radiokohlenstoffkalender beschreibt die Schwankungen der 14C-Konzentration der Atmosphäre über mehrere zehntausend Jahre und ist unverzichtbare Grundlage der Radiokohlenstoff- oder auch 14C-Datierungsmethode. Durch den Vergleich der 14C-Daten aus dem Holz der Kauri-Bäume mit ebensolchen von Bäumen der Nordhemisphäre lassen sich Rückschlüsse auf mögliche Ursachen der natürlichen Klimadynamik am Ende der letzten Eiszeit ziehen.

Der neuen Studie zufolge wurde ein lang anhaltender heftiger Kälteeinbruch vor rund 12.900 – 11.650 Jahren auf der Nordhalbkugel durch zwei Ereignisse gesteuert. Bislang war man davon ausgegangen, dass die Jüngere Dryas – so benannt nach einer arktischen Distel (Dryas octopedala) – durch mehr oder weniger einen einzigen Schwall kalten Schmelzwassers ausgelöst wurde. Dieses Schmelzwasser vom Nordamerikanischen Eisschild flutete in den Nordatlantik und ließ den warmen Golfstrom zum Erliegen kommen. Die Folge waren Temperaturstürze innerhalb weniger Jahre – und die Ausbreitung besagter arktischer Diestel nach Süden.

Golfstrom zweimal unterbrochen

Diese klimatischen Ereignisse lassen sich gut über Baumjahrringe, Eisbohrkerne und Seesedimente auf der Nordhalbkugel nachvollziehen. Die prähistorischen Bäume aus der Südhemisphäre liefern jetzt aber ein genaueres Bild, das bisherige Vorstellungen über die globalen Zusammenhänge entscheidend verändert: Demnach lassen sich innerhalb von 1.000 Jahren zwei Phasen unterscheiden in denen der warme Golfstrom ausgefallen ist. Diese Phasen dauerten jeweils rund 250 Jahre, dazwischen lagen 500 Jahre mit einer Zirkulation, wie wir sie auch heute kennen. „Erstaunlich ist, dass trotz der zwischenzeitlichen Rückkehr zur normalen, heutigen Ozeanzirkulation die Kälteperiode der Jüngeren Dryas nicht unterbrochen wurde“, sagt Gerhard Helle aus der GFZ-Sektion Klimadynamik und Landschaftsentwicklung. Die ForscherInnen schließen daraus, dass die Kälteperiode auch auf atmosphärische Fernverbindungen, etwa äquatorwärts verschobene polare Luftmassen, und auf Rückkopplungen zwischen Nord- und Südhemisphäre zurückgeht.

Der Nachweis dieser Ereignisse durch neue Daten von der Südhalbkugel ist allerdings nur über mehrere Schritte möglich. Die Meeresströmung, die wir als Golfstrom bezeichnen, ist Teil eines weltumspannenden Systems, der thermohalinen Zirkulation. Wie über gigantische Förderbänder gelangt warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko bis vor Grönland, sinkt dort ab und fließt am Meeresgrund entlang um die halbe Welt nach Süden, wo es als kaltes Wasser im antarktischen Ozean hochsteigt (auf Englisch Upwelling). Das Wasser hat noch etwas dabei, nämlich „altes“ Kohlendioxid. Es enthält viel weniger vom 14C-Isotop als das CO2 in der Atmosphäre, wo 14C durch kosmische Strahlung ständig neu gebildet wird.

Dieses fossile CO2 gelangt beim Upwelling und infolge starker Winde im Südatlantik in die Atmosphäre und wird von den Bäumen der Südhalbkugel aufgenommen. Es verfälscht damit die Radiokohlenstoffdatierung und macht Bäume der Südhalbkugel älter als eigentlich zeitgleich gewachsene Bäume der Nordhalbkugel.

Wissenschaftlicher Schatz wird zu Möbeln

Ermöglicht wurde diese neue Studie durch den Fund und die Bergung von 38 Baumriesen, die im anmoorigen Boden unter Viehweiden der neuseeländischen Nordinsel konserviert wurden. Die Bäume, die den Maori heilig sind, haben nach ihrem Absterben und der Konservierung in früheren Sümpfen diese Informationen bewahrt. Dadurch wurde den ForscherInnen nun erstmals die Chance geboten, 14C-Analysen an einer präzisen 1.451-jährigen Baumringchronologie aus der Südhemisphäre durchzuführen; just zu Zeiten, in die die Jüngere Dryas auf der Nordhalbkugel fällt.

Die fossilen Kauri-Bäume sind zum Teil noch viel älter und stellen einen wissenschaftlichen Schatz dar. Doch sie wecken auch andere Begehrlichkeiten. Unternehmen aus Singapur bauen das prähistorische Holz wie Kohle oder Erz ab und verfrachten es nach Singapur. Dort erzielen die Jahrzehntausende alten Kauri-Bäume hohe Preise. Sie werden zu Designermöbeln verarbeitet.

Josef Zens, 19.05.2016

Hogg, A., Southon, J., Turney, C., Palmer, J., Ramsey, C., B., Fenwick, P., Boswijk, G., Friedrich, M., Helle, G., Hughen, K., Jones, R., Kromer, B., Noronha, A., Reynard, L., Staff, R., Wacker, L., 2016. Punctuated Shutdown of Atlantic Meridional Overturning Circulation during Greenland Stadial 1. Nature Scientific Reports 6, doi:10.1038/srep25902

Weitere Meldungen

zurück nach oben zum Hauptinhalt