Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Interview | Ute Weckmann "Unbewusste Vorurteile überwinden"

Heute ist Internationaler Frauentag. Das gibt uns Gelegenheit, die Gleichstellungsbeauftragte des GFZ, Ute Weckmann, nach der Situation der Frauen in Geowissenschaften und speziell an unserem Zentrum zu befragen. Ute Weckmann ist habilitiert und leitet die Arbeitsgruppe Magnetotellurik in der Sektion Oberflächennahe Geophysik am GFZ.

Heute, am 8. März, ist Internationaler Frauentag. Das gibt uns Gelegenheit, die Gleichstellungsbeauftragte des GFZ, Ute Weckmann, nach der Situation der Frauen in den Geowissenschaften und speziell an unserem Zentrum zu befragen. Ute Weckmann ist habilitiert und leitet die Arbeitsgruppe Magnetotellurik in der Sektion Oberflächennahe Geophysik am GFZ.

GFZ: Frau Weckmann, wenn ich mir Geowissenschaftler vorstelle, dann denke ich an schwere Arbeiten im Feld mit Hämmern oder Bohrgerät. Ist unser Fachgebiet mehr als andere von solchen Stereotypen geprägt und scheuen Frauen deshalb eine Karriere in den Geowissenschaften?

Ute Weckmann: Nein, ich denke, solche Stereotypen gibt es bei allen MINT-Fächern. MINT steht für Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik. Die Statistik spricht sogar für uns: Knapp die Hälfte der Geophysikstudierenden ist weiblich, und auch in den angrenzenden Fächern sieht es so ähnlich aus. Bei den Promovierenden am GFZ schwankt der Frauenanteil seit Jahren um einen Wert von 44 Prozent, plus/minus 5 Prozentpunkte. Dennoch hält sich das Vorurteil des Wissenschaftlers, der 80 Stunden oder mehr pro Woche in seinem Labor steht und seiner Berufung nachgeht.

GFZ: Die Arbeitszeit ist doch nicht nur Fiktion.

Weckmann: Das stimmt, aber heutzutage ist Forschung doch eher eine Teamsache. Prozesse und Aufgaben lassen sich so organisieren, dass Forscherinnen und Forscher gleichermaßen Zeit für ein Privatleben und ihre Familie haben. Sogar Teilzeitarbeit ist in der Forschung möglich, das erlebe ich in meiner Gruppe hautnah. Zugegeben, es ist nicht immer leicht, das zu organisieren, aber es geht.

GFZ: Wo ist dann das Problem?

Weckmann: Wir verlieren immer noch Frauen auf dem Karriereweg. Entscheidend ist die Phase nach der Promotion. Insbesondere den Frauen dauert es oft zu lang, bis sie eine gewisse Sicherheit erlangt haben, was ihre Zukunftsperspektive und Karriereaussichten angeht. Sie möchten das Risiko nicht eingehen, und oft höre ich auch von Kolleginnen, dass sie einen Mann haben mit einem höher bezahlten und/oder sichereren Job.

GFZ: Was ist das dann: eine leckende Pipeline oder die berühmte gläserne Decke?

Weckmann: Es ist beides. Da haben wir das Vorurteil, gekleidet in die Frage „Kann sie als Frau das schaffen mit ihren Kindern und überhaupt?“ – so funktioniert die gläserne Decke. Und dann ist da die fehlende Karrieresicherheit, die dazu führt, dass Frauen sich aus der Wissenschaft verabschieden, also das Leck in der Pipeline.  

GFZ: Vor ein paar Tagen hörten wir beim GFZ-Forum, bei dem die GFZ-Beschäftigten versammelt waren, von den Plänen, ein Karriereberatungszentrum einzurichten. Könnte das helfen?

Weckmann: Auf jeden Fall. Die Karriereplanung speziell für Frauen muss in das Angebot eines solchen Beratungszentrums, außerdem muss sie Thema sein in den jährlichen Mitarbeitergesprächen.

GFZ: Sollten Frauen in der Wissenschaft vor solch einem Gespräch bei Ihnen nach Rat fragen?

Weckmann: Das kann ich mir durchaus vorstellen, aber ich glaube, es gibt noch etwas Wichtigeres.

GFZ: Und das wäre?

Weckmann: Alle Gruppenleiterinnen und -leiter sowie alle, die über Einstellungen entscheiden, sollten geschult werden, sich ihrer eigenen inneren Voreingenommenheiten bewusst zu werden. Jeder Mensch hat sie und entscheidet danach. Unser Ziel sollte es sein, diese unbewussten Vorurteile zu überwinden.

GFZ: Also hat sich nichts geändert?

Weckmann: So würde ich das nicht sehen. Die Situation hat sich doch entscheidend verbessert. Wir haben Direktorinnen und Sektionsleiterinnen, wir haben weibliche Vorbilder und ich kenne eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die sich ihrer Voreingenommenheit genau bewusst sind. Sie arbeiten mit strukturierten Interviews und vorher genau festgelegten Kriterien, wenn es um Einstellungen geht.

GFZ: Heute ist Frauentag und Sie dürfen sich was wünschen. Was wäre das?

Weckmann: Ich wünsche mir, dass mehr Frauen zu mir ins Büro kommen, bevor sie sich auf Führungspositionen bewerben und ganz besonders bevor sie in die Vorstellungsgespräche gehen. Ich könnte ihnen gewiss Tipps geben, sich zu präsentieren und Fehler zu vermeiden.

08.03.2017

Das Interview führte Josef Zens

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