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Bericht | Social Media helfen bei Hochwasserkatastrophen

Am Morgen des 5. Juni 2013 postet ein Nutzer des sozialen Netzwerks Twitter ein Foto, das zeigt, wie ein Bürgersteig im Stadtzentrum von Dresden unter Wasser steht. Auch Hochwassermeldepegel schlagen an. Im Stadtgebiet von Dresden ist an der Elbe allerdings nur ein derartiger Anzeiger installiert, der punktuell Auskunft über die Höhe des Wasserstandes geben kann. Wie sehen die Gebiete dazwischen aus? Wie kann ermittelt werden, wo das Wasser wie hoch steht?

Die Software PostDistiller ermöglicht einen schnellen Schadensüberblick in Siedlungsgebieten

Am Morgen des 5. Juni 2013 postet ein Nutzer des sozialen Netzwerks Twitter ein Foto, das zeigt, wie ein Bürgersteig im Stadtzentrum von Dresden unter Wasser steht. Auch Hochwassermeldepegel schlagen an. Im Stadtgebiet von Dresden ist an der Elbe allerdings nur ein derartiger Anzeiger installiert, der punktuell Auskunft über die Höhe des Wasserstandes geben kann. Wie sehen die Gebiete dazwischen aus? Wie kann ermittelt werden, wo das Wasser wie hoch steht?

Weitere Twitterer folgen und posten unter signifikanten Stichworten wie „Hochwasser“, „Flut“ und „Überflutung“ Bilder zum Hochwasser in der Dresdener Innenstadt. Durch den Einsatz einer neuen Software namens PostDistiller könnten diese Posts in Zukunft dabei helfen, genauere Informationen über die Ausbreitung und Tiefe einer Überflutung zusammenzutragen. So könnten sie Rettungs- und Hochwasserabwehr-Maßnahmen unterstützen und Abschätzungen der zu erwartenden Schäden ermöglichen.

Flickr oder Twitter ergänzen die Datenlage bei Überflutungen

Ein Problem bei der Erfassung des Ausmaßes von Hochwässern ist bisher, dass traditionelle Datenquellen wie Fernerkundungsdaten von Satelliten nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Aktuelle Aufnahmen, die Aufschluss über die räumliche Ausbreitung einer Flut, die Überflutungstiefe und das Ausmaß der Schäden geben können, sind erst dann verfügbar, wenn ein Satellit ein betroffenes Gebiet überflogen hat. Das kann zu einer Verzögerung von mehreren Tagen führen, bis den HelferInnen und ExpertInnen benötigte Informationen vorliegen.

Außerdem gibt es Probleme in dicht bebautem Gelände, da Asphalt und Beton die Reflektion der Wasseroberfläche stören. Die Abgrenzung bebauter Bereiche von Wasserflächen ist auf einer Satellitenaufnahme deshalb oftmals nur schwer möglich. Wasserstandspegel sind nur vereinzelt installiert und oft auch nicht mit dem Internet verbunden, weshalb diese Informationen nur an der Messstelle selbst und nicht immer unmittelbar verfügbar sind.

Gerade in Siedlungsgebieten ist es aber von besonderer Wichtigkeit, dass schnell Informationen zur Überflutungssituation vorliegen. Hier sind viele Menschen betroffen und viele Sachwerte vorhanden. Retter müssen sich einen Überblick verschaffen, um Rettungsmaßnahmen einleiten zu können und mögliche weitere Schäden zu begrenzen. Gerade in Siedlungsgebieten sind jedoch auch viele NutzerInnen sozialer Medien aktiv. Fotos aus betroffenen Gebieten werden meist unmittelbar mit Beginn eines katastrophalen Ereignisses von Augenzeugen aufgenommen und über soziale Netzwerke wie Twitter oder Flickr geteilt.

Ein WissenschaftlerInnen-Team um Prof. Doris Dransch, GFZ-Sektion Geoinformatik, und Dr. Kai Schröter, Sektion Hydrologie, hat die Software PostDistiller entwickelt, durch deren Einsatz diese Posts aus den sozialen Netzwerken bei der Erfassung der Ausmaße eines Hochwassers helfen können. Die große Herausforderung besteht darin, die riesigen Informationsmengen aus den sozialen Netzwerken auf das Wesentliche zu reduzieren. Aus der Masse an Posts müssen diejenigen herausgefiltert werden, aus denen die relevanten Informationen abgeleitet werden können. Im Falle eines Hochwassers sind das Informationen zur Ausbreitung und Tiefe des Wassers.

Filterfunktion und Visualisierung erleichtern die Auswertung

Die sozialen Netzwerke Twitter und Flickr zeichnen sich dadurch aus, dass sie offene Programmierschnittstellen aufweisen, aus denen Daten gewonnen werden können. PostDistiller extrahiert hierüber relevante Posts - die automatisch geolokalisiert werden können, sich also räumlich verorten lassen - zeigt sie in einer Karte an und stellt sie so für eine weitere Auswertung bereit. Da Nutzer sozialer Medien ein Foto meist direkt im Moment der Aufnahme in einem sozialen Medium teilen, lässt sich so eine zeitgenaue Bilderabfolge eines Hochwassers zusammentragen.

Nicht alle während eines Hochwassers erzeugten Posts sind hilfreich, wenn es darum geht, das Ausmaß von Schäden einzuschätzen. PostDistiller kombiniert eine Reihe von Filterfunktionen. Die Filterung schränkt die Zahl der Posts erheblich ein, die am Ende die benötigten Informationen liefern und erleichtert eine spätere Auswertung durch ExpertInnen. Filterkriterien sind beispielsweise Stichworte, die in diesem Fall „Flut“, „Überflutung“ und „Hochwasser“ lauten können. Möglich ist auch, nur Posts aus Gebieten zu analysieren, die generell überflutungsgefährdet sind. Die Geolokalisierung von Posts ermöglicht also eine zusätzliche Filterung. Posts die mehrfach vorhanden sind, weil sie von NutzerInnen geteilt oder weitergeleitet werden, können ebenfalls herausgefiltert werden. Weitere Filteransätze werden erprobt, wie der Einsatz lernfähiger Programme.

Per visueller Schnittstelle lässt sich wie in einer Galerie durch die gefilterten Posts und Fotos blättern. Die Positionierung der Fotos in Karten erleichtert dann den ExpertInnen ihre Arbeit. Die ausgewählten Posts können nach verschiedenen Kriterien einzeln bewertet werden, wie: Ist das gefilterte Foto tatsächlich relevant? Ist der Post vertrauenswürdig und verwertbar? Ist der auf dem Foto gezeigte Ort überflutet oder noch trocken? Wie hoch scheint der Wasserstand am Ort des Fotos zu sein? Auch die Einschätzung eines Posts kann wiederum bewertet werden (wie sicher ist sie beispielsweise in Bezug auf den vermuteten Wasserstand?). Hieraus wird später die Zuverlässigkeit der Auswertung ermittelt. Diese letzten Schritte zur Abschätzung des Wasserstands und die Bewertung der herausgefilterten Posts lassen sich bisher noch nicht automatisieren.

Überflutungstiefe und Schadensabschätzung

Herkömmlicherweise wird der Wasserstand ermittelt, indem nach einer Überschwemmung Hochwassermarken ermittelt werden, die beispielsweise aus Schlammrückständen an Häuserwänden bestehen. Weitere Möglichkeiten sind die Auswertung von Satellitenbildern oder Nachberechnungen von Hochwasserereignissen mit Simulationsmodellen. Unmittelbare Bestimmungen des Wasserstandes sind, wenn überhaupt, nur über direkt installierte Messinstrumente oder mittels eines Abgleichs von Satellitendaten mit Geländekarten möglich, mit allen genannten Einschränkungen. Die genaue Höhe des Wasserstandes bei einer Überschwemmung ist jedoch ein wichtiges Maß der Schadensabschätzung.

Fotos aus den sozialen Medien liefern quasi in Echtzeit wertvolle Informationen zum Wasserstand eines überfluteten Gebietes. Hier dienen markante Geländemarken wie Gebäude, Bäume oder Fenster als Referenzobjekte, anhand derer der Wasserstand abgeschätzt werden kann. Auch Fenster, Türen etc. die zu sehen sind, erlauben Aussagen darüber, wie hoch das Wasser steht. Sogar Einzelereignisse, wie der Bruch eines Deichs, können so erfasst werden. PostDistiller zeigt, dass Daten aus sozialen Medien wertvoll sind und sich ihre Einbeziehung im Katastrophenfall und wohl auch darüber hinaus durchaus lohnt. So lässt sich PostDistiller nicht nur für die Einschätzung der Ausmaße von Hochwasserschäden verwenden. Auch für Katastrophen wie Großbrände oder Erdbeben eignet sich diese Art der Analyse durch Augenzeugen per Social Media-Posts. PostDistiller kann immer dann eingesetzt werden, wenn es von großer Bedeutung ist, einen schnellen Überblick darüber zu erhalten, wie Schäden in der Fläche verteilt sind und wie schwerwiegend sie sind.

Datenkompositionen für die Zukunft

Natürlich sind die Daten aus den Sozialen Medien nicht perfekt. Gebiete werden nicht flächendeckend fotografiert und die Informationen sind meist nicht so exakt wie gemessene Daten. Die Posts können jedoch zumindest erste Eindrücke bieten, bis Daten von Messstellen und Satellitenbilder verfügbar sind oder eben diese Daten ergänzen.

Prof. Doris Dransch: „Wir haben für PostDistiller verschiedene Informatikkonzepte kombiniert und können jetzt sehr effizient relevante Informationen aus sozialen Medien filtern. Im nächsten Schritt soll dann die automatisierte Ableitung von Daten aus den gefilterten Posts und Fotos verbessert werden. Außerdem soll es möglich werden, die Daten aus den verschiedenen Datenquellen wie sozialen Medien, Satelliten und Messungen vor Ort zu kombinieren und ausgewählte Daten in einem Datenkomposit zu integrieren.“ In Kooperation mit der Universität Jena wurde bereits ein neues Forschungsprojekt im DFG Schwerpunktprogramm „ Volunteered Geographic Information“ beantragt dessen Ziel es ist, mit PostDistiller die gesamte Prozesskette zu unterstützen: von der Filterung interessanter Social Media Posts, über die Ableitung relevanter quantitativer und qualitativer Daten, bis hin zur Erstellung von Datenkomposits aus allen verfügbaren Datenquellen.

07.03.2016, Ariane Kujau

Kontakt:

Doris Dransch, GFZ-Sektion Geoinformatik

Kai Schröter, GFZ-Sektion Hydrologie

Publikationen:

Fohringer, J., Dransch, D., Kreibich, H., Schroeter, K., 2015. Social media as an information source for rapid flood inundation mapping. Natural Hazards and Earth System Sciences, 15, S.: 2725 - 2738.

Dransch, D., Poser, K., Fohringer, J., Lucas, C., 2013: Volunteered Geographic Information for Disaster Management. - In: Silva, C. N. (Ed.), Citizen E-Participation in Urban Governance: Crowdsourcing and Collaborative Creativity, (Advances in electronic government, digital divide, and regional development (AEGDDRD) book series ), Hershey, Pa. : Information Science Reference, p. 98-118.

Poser, K., Dransch, D., 2010: Volunteered geographic information for disaster management with application to rapid flood damage estimation. - Geomatica, 64, 1, p. 89-98.

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